Sogenannte Scalper haben sich durch diverse Tricks tausende PlayStation 5 Konsolen gesichert und verkaufen diese jetzt bei Ebay und Co. für horrende Preise. Das Phänomen ist nicht neu.
Die PlayStation 5 ist überall ausverkauft. Selbst Jim Ryan – CEO von Sony Interactive Entertainment (SIE) – räumt ein, dass alle PlayStation 5 Konsolen restlos ausverkauft sind. Sony verspricht Nachschub bis zum Ende des Jahres, aber von einer großen Verfügbarkeit sollte nicht ausgegangen werden. War es doch der „größte Launch“ in der PlayStation-Geschichte.
In vielen Foren regen sich Nutzer bspw. über andere Nutzer auf, die es gewagt haben, gleich zwei Konsolen zu bestellen. Diese Doppel-Besteller sind zwar ärgerlich, aber nicht der eigentliche Grund, warum viele (große) Kinder zu Weihnachten wohl ohne PlayStation 5 auskommen werden müssen.
Netzwerke & Bots waren gnadenlos
Der wirkliche Grund liegt nämlich woanders, nämlich bei diversen Gruppen, die sich online gebildet haben und sich mit Tricks so viel heißbegehrte Ware schnappen wie nur möglich. Dabei geht es nicht nur um die PlayStation 5. Jeder Artikel, dessen Verfügbarkeit zur Markteinführung oder einem späteren begrenzt ist, der sehr begehrt ist und sich deshalb gewinnbringend weiterverkaufen lässt, gerät in ihren Fokus. Eine dieser Gruppen nennt sich CrepChiefNotify. Zwischen 33€ und 350€ kostet eine Mitgliedschaft in diesem Verein, der Mitgliedern „Erfolg beim Weiterverkauf“ verspricht. Die Grafik auf der Webseite dürfte bspw. bei vielen Nintendo-Fans wenig Begeisterung auslösen.
Ihr seht richtig – abgebildet ist eine Nintendo Switch. Genau die Konsole, die es über Monate kaum zu kaufen gab oder eben nur zu hohen Preisen auf Ebay und anderen Plattformen. Genau diese Geschichte hat sich jetzt mit der PlayStation 5 und Xbox Series X wiederholt – nur eben beim Launch und nicht wie bei der Nintendo Switch erst Monate nach dem Release.
Für die PlayStation 5 gab es zwei Gelegenheiten zur Vorbestellung. Das erste Mal zu einem festgelegten Termin und das zweite Mal zum offiziellen Lauch. Beide Events wurden rein digital abgehalten und genau da haben die Scalper zugeschlagen. Beim ersten sogenannten „Drop“ gelang es CrepChiefNotify, sich knapp 1000 PlayStation 5 zu sichern. Zum Release waren es dann nochmal knapp 2500 Konsolen. Das sind fast 3500 Konsolen bei nur einem Scalper-Netzwerk. Wie viele solcher Netzwerke tatsächlich existieren, kann aktuell nur geschätzt werden.
Netzwerke wie CrepChiefNotify erlauben ihren Nutzern den Zugriff zu speziellen Bots, die genau in der Sekunde große Mengen oder viele kleine Bestellungen auslösen, in der die Ware verfügbar sind. Während menschliche Besteller noch dabei sind, ihre eine PlayStation 5 in den Einkaufswagen zu legen, ist der Bot bereits fertig. Was dabei am Ende rauskommt, konnte man kurze Zeit später auf fast allen Portalen sehen.
Der Ersteller des Tweets hat kurz darauf die PlayStation 5 bei eBay und Co. inseriert. Der Preis? 1100$ für die PS5 mit Laufwerk und einem eigentlichen Marktwert von 500$ sowie 900$ für die Version ohne Laufwerk, die sonst für 400$ zu haben ist. Das sind 125% Marge – da wird selbst Apple neidisch. Natürlich passiert das nicht nur in den USA. Ein Blick zu Ebay Deutschland reicht aus, um das Ausmaß zu erfassen. Natürlich sind nicht alle davon Teil von großen Reseller-Netzwerken, aber die reine Anzahl der angebotenen PlayStation 5 Konsolen und die aufgerufenen Preise zeigen eindeutig, dass es mehr als drei Leute sind.
Die Gruppe CrepChiefNotify hat derweil auch ein Statement abgegeben.
„Viele unserer Mitglieder wurden wegen der Pandemie beurlaubt, entlassen oder in irgendeiner Form benachteiligt. Diese Menschen haben es geschafft, ihre Rechnungen zu bezahlen, Essen auf den Tisch zu bringen und ihren Kindern Weihnachtsgeschenke zu liefern. Es mag bedauerlich sein, dass ein Kind zu Weihnachten nicht mit einer PS5 aufwacht, aber ein anderes Kind wäre aufgewacht und hätte sonst gar nichts als Geschenk vorgefunden.
Wir bereuen nichts.“
Jeder wurde unterschiedlich von der aktuellen Situation um COVID-19 getroffen. Die eigentliche Frage ist aber, ob es nicht auch eine andere Möglichkeit gegeben hätte, Geld zu verdienen. Außerdem wurden diese Methoden nicht erst für die PlayStation 5 entwickelt.
Kein neues Phänomen
Fans von Streetwear kennen diese Netzwerke schon lange. Die gleichen Bots wurden nämlich bereits vor der PlayStation 5 und Xbox Series X genutzt, um Sneaker von Nike oder Air Jordan zu „sichern“.
Begehrte Marken wie Supreme haben dieses Phänomen quasi mit einer Strategie erzwungen, die im Marketing auch als künstliche Knappheit bekannt ist. Dabei gibt es zum Verkaufsstart einer neuen Kollektion nur eine begrenzte Anzahl der Ware, die auch nicht mehr neu aufgelegt wird. Das ermuntert Fans dazu, stundenlang vor Geschäften zu warten, um einen der wenigen Artikel zu bekommen. Ist das im Laden noch kontrollierbar, läuft es bei den inzwischen digital stattfindenden „Drops“ bedingt durch die Bots leider deutlich unfairer ab. Dazu kommt, dass Marken wie Nike mit der SNKRS-App einen Kalender mit bevorstehenden Veröffentlichungen anbieten und sich die Netzwerke so noch besser auf den Drop einstellen können. Sie melden sich wie normale Kunden an und werden informiert, wenn sie Ware zum Verkauf angeboten wird.
Mit der neuen Konsolengeneration wird nun mehr und mehr Menschen bewusst, wie weit das inzwischen geht. Einige Verkäufer von Streetwear haben schon angefangen, gegen die Bots vorzugehen. So wurden bspw. Fake-Angebote mit leeren Schachteln angeboten, die die Bots dann zum Vollpreis gekauft haben. Das könnte Sony bei der PlayStation 5 vielleicht auch in Betracht ziehen.
Wer kauft eine PlayStation 5 für stark überzogene Preise?
Normalerweise bezahlt niemand freiwillig mehr für ein Produkt als er müsste. Irgendjemand muss aber diese horrenden Preise zahlen, sonst würde es die Angebote für die PlayStation 5 nicht so lange geben. Die Antwort findet sich in der ein oder anderen Form in diversen Foren und Threads auf Reddit und anderen Seiten. Hier die Übersetzung einer meiner liebsten Antworten:
„Ich habe während des PS4-Starts bei Best Buy gearbeitet und kann Ihnen genau sagen, wer von Scalpern kauft.
Es sind viele Vorstadt-Eltern der oberen Mittelklasse. Sie haben ein 8-15 Jahre altes Kind und wollen zu Weihnachten eine PS5. Sie selbst (Eltern) zocken nicht, sie verfolgen keine Spiele-News und sie werden nicht erkennen, wie schwer es ist, eine PS5 zu bekommen, bis es zu spät ist.Dann müssen sie dem Kind an Weihnachten sagen, dass es „irgendwann“ eine PS5 bekommt oder einen zusätzlichen Geldbetrag von XXX.XX $ zahlen, um ihr Kind glücklich zu machen und sich darüber keine Sorgen machen zu müssen.“
Wirklich verübeln kann man es diesen Eltern nicht, denn niemand will das eigene Kind an Weihnachten enttäuschen. Aber solange Menschen den Scalpern 1000€ für eine PlayStation 5 bezahlen, wird dieses Verhalten weitergehen.
Produkte, die viele Menschen am besten gerne sofort hätten und von denen es nur eine begrenzte Menge gibt, werden immer wieder zu solch einem Verhalten führen. Im 21. Jahrhundert ist es nur dramatisch einfacher geworden, das (teilweise unkontrollierte) Verlangen der Menschen auszunutzen.
Dabei spielt es keine Rolle, ob es eine PlayStation 5, ein Paar Air Jordans, ein iPhone oder eine Nvidia GeForce RTX 3080 ist – wir wollen cooles Zeug. Wir gehen arbeiten, damit wir uns das leisten können. Aber ungeduldig überzogene Preise zu zahlen, macht es für alle kaputt. Lager werden wieder aufgefüllt und Nachfolger kommen auf den Markt. Wir sind ein Online-Shop, ihr könnt es uns also ruhig glauben. Wenn die Artikel wieder verfügbar sind, bezahlt ihr bei uns einen fairen Preis und nicht 125% Aufschlag, nur weil Weihnachten oder Cyberpunk 2077 vor der Tür stehen.
Quelle & Bilder: tass, mydealz, CrepChiefNotify (Webseite), CrepChiefNotify (Twitter), Mike Feichtner, Business Insider, Ebay, reddit, PlayStation (Twitter), CrepChiefNotify (Facebook)