Sennheiser dürfte den meisten wohl ein Begriff sein. Seit Jahren ist der deutsche Akustik-Spezialist für sein Sound-Equipment bekannt und das nicht nur im High-End-Bereich. Ab und an will man als Hersteller aber auch einfach mal zeigen was man kann, was Sennheiser 1991 mit der Kopfhörer-Verstärker-Kombination Orpheus HE/V 90 eindrucksvoll bewiesen hat. Nur 300 Exemplare wurden je gebaut, verkauft wurden sie zum Stückpreis von 30.000 Mark – inflationsbereinigt also etwa 24.000 Euro. Der HE90 war am Ende auch eher eine Machbarkeitsstudie denn ein Produkt, das für den Massenmarkt ausgelegt ist. Jetzt legt Sennheiser mit einer neuen Version nach.
Bei der geringen Verfügbarkeit war der Markt natürlich schnell leergekauft. Der Preis spielt bei den echten Enthusiasten – und an genau die richtete sich das Modell – kaum eine Rolle. Wer einen ergattert hat, gab diesen auch nicht wieder her, sodass nur ganz selten mal ein Orpheus den Besitzer wechselte. Angeblich brachen wohl auch nicht wenige Hörer in Freudentränen aus, als sie den Orpheus HE/V 90 ausprobierten: „Orpheus can endow every music with life! Like GOD! LISTEN to Orpheus,I can not help weeping and crying.“ (.via)
Kürzlich meldete sich Sennheiser mit einem neuen Orpheus zurück: Dem HE 1060 samt HEV 1060 Verstärker. Fast 10 Jahre hat man an dem neuen Orpheus gearbeitet, bevor man ihn der Öffentlichkeit präsentierte. Natürlich basiert auch dieser Orpheus wieder auf der Prämisse, zu bauen was technisch und physikalisch möglich ist – nicht danach was Sinn ergibt oder Kosten spart. So wurde der Verstärker mit Carrara Marmor verkleidet, was nicht nur der Optik hilft, sondern auch die Akustik verbessern soll. Natürlich setzt man im Orpheus auf einen Röhrenverstärker, dessen 8 Röhren prominent auf der Oberseite platziert sind.
Aber erstmal zum Kopfhörer selbst: Natürlich setzt Sennheiser hier auf Elektrostatische Kopfhörer wie beim Vorgänger. Neu ist, dass nun direkt im Kopfhörer ein Class A MOS-FET Verstärker integriert ist, um den Wiederstand durch die Kabel zu eliminieren. Dadurch erreicht man, laut eigenen Angaben, eine 200% effizientere Impulstreue als alle anderen auf dem Markt erhältlichen Systeme. Als Frequenzgang gibt Sennheiser 8Hz bis über 100 kHz an – weit über das Hörvermögen eines Menschen hinaus. Auch gibt man an, die geringste jemals in einem Audio-Wiedergabesystem gemessene Verzerrung erreicht zu haben: 0.01% bei 1 kHz, 100 dB SPL. Bei den Ohrpolstern setzt man standesgemäß auf Handvernähtes Leder mit einer Velour/Microfaser-Unterkonstruktion.
Beim Verstärker hat man nach eigenen Angaben „das Beste aus Röhren- und Transistorverstärkern kombiniert“. Das federgelagerte Marmorgehäuse dient dabei als Abschirmung vor Körperschall für die innen liegenden Komponenten, während die Vakuumröhren durch Quarzglas gegen Luftschall geschützt werden. Im Inneren werkeln ganze acht ESS SABRE ES9018 DACs, jeweils vier Stück sind parallel für einen Stereo-Kanal zuständig. Signale empfängt er per USB und Optischem oder Koaxialem SPDIF, natürlich können auch High-Res PCM (bis 32bit, 384kHz) und DSD (bis 128bit, 4,8mHz) Signale verarbeitet werden.
Als optisches Highlight fahren nach dem Anschalten zuerst die verchromten Bedienelemente aus dem Gehäuse heraus. Im Anschluss werden dann die Vakuumröhren aus dem Gehäuse nach oben gefahren. Erst dann öffnet sich die Glasplatte über den Kopfhörern, sodass man sie herausnehmen und aufsetzen kann. Das Ganze hat aber auch einen technischen Hintergrund, denn in der Zeit, in der sich die Elemente ausfahren, wird der Verstärker vorgewärmt – vorher kann man eh keine Musik hören.
Ich muss ehrlich sagen: Hübsch finde ich den Verstärker ja nicht, aber ich war auch noch nie ein großer Fan von Marmor. Technisch hingegen bietet der Orpheus HE 1060 alles, was man sich nur erträumen könnte. Natürlich bewegt man sich hier in Bereichen, die wohl kaum jemand noch „Erhören“ kann – aber darum geht es ja am Ende auch gar nicht. Wer sich ein solches System anschafft, ist auf der Suche nach Perfektion.
Das Ganze will aber natürlich auch bezahlt werden: Sennheiser ruft daher einen Preis von – Achtung, hinsetzen – 50.000 Euro aus. Und Ihr dachtet 600 Euro für einen Kopfhörer wären schon viel, oder? 😉 Aber bevor ihr jetzt euer Sparschwein knackt oder einen Bruch plant: Der Orpheus kann erst Mitte 2016 bestellt werden, Sennheiser spricht von einer Produktion von etwa 250 Stück pro Jahr. Ein Limit wurde (vorerst?) nicht gesetzt.
Außerdem solltet ihr bedenken, dass so ein Kopfhörer nicht einfach per Spotify vom Smartphone aus gefüttert werden sollte, sondern mindestens von einem High-End SACD Player oder noch besser einem High-End Plattenspieler – wie dem clearaudio Statement für rund 100.000 Euro mit schlanken 350Kg Gewicht. Den könnte ich mir übrigens gut in meinem Wohnzimmer vorstellen ;). Geht natürlich auch günstiger, aber wer schon in Sennheiser Orpheus Kopfhörer investiert, der will auch nur das Beste.
Ob sich der Aufwand gelohnt hat werden sicher bald Tests zeigen – ich bin mir aber eigentlich schon sicher, dass er wie sein Vorgänger die absolute Referenz darstellen wird, wenn Sennheiser auch nur Annähernd das hält, was man verspricht.