Das Microsoft Lumia 650 ist der jüngste Spross aus Microsofts eigener Smartphone-Serie. Nach den Flaggschiffen Lumia 950 und 950XL und dem Einstiegsmodell Lumia 550 ist es vor Kurzem erschienen und sortiert sich in der Mittelklasse ein. Punkten will es vor allem mit seinem schlichten, hochwertigen Design und zielt damit vor allem auch auf die Business-User ab. Ich habe mir natürlich mal ein Lumia 650 geschnappt und es mir genauer angesehen.
Fangen wir an beim Auspacken – oder besser beim Packungsinhalt. Neben dem Lumia 650 selbst liegt der wechselbare Akku im Karton, dazu gibt es natürlich noch ein Ladegerät und ein Micro-USB 2.0 Kabel. Das Backcover ist trotz Metallrahmen abnehmbar und steckt schon auf dem Gerät bei der Lieferung. Das wars auch schon, ansonsten liegt nur noch der übliche Papierkram bei.
Microsoft wirbt ja beim Lumia 650 vor allem mit der schlichten Optik, dem schlanken Design und der Verarbeitung. Damit liegt man auch nicht falsch, denn das Lumia 650 fühlt sich einfach gut an in der Hand. Die Verarbeitung ist hervorragend, durch das schlanke Gehäuse, das geringe Gewicht und den Metallrahmen macht es einen tollen Eindruck und man hat es einfach gerne in der Hand. Ich würde fast behaupten, dass es das bislang schönste und edelste Lumia Modell ist. So hätte ich mir die Verarbeitung und Haptik der Flaggschiffe gewünscht.
Auch ansonsten stimmt die Verarbeitung einfach: Das abnehmbare Backcover sitzt bombenfest, auf den ersten Blick könnte man auch meinen, es sei gar nicht abnehmbar. Die Power- und Volume-Tasten haben einen angenehmen Druckpunkt, der hart genug ist um sie nicht versehentlich auszulösen und dadurch auch ein eindeutiges Haptisches Feedback liefert.
Nimmt man das recht dünne Backcover ab, findet man darunter den austauschbaren 2000mAh Akku und den SIM-, sowie den Micro-SD-Slot und den NFC-Empfänger im Cover. Es soll auch eine Dual-SIM-Version geben, aber wann diese verfügbar sein wird, ist noch offen.
Auf der technischen Seite gibt es wenige Überraschungen. Hier erst einmal die wichtigsten technischen Daten:
- Snapdragon 212 SOC, 4×1,3GHz
- 5″ HD OLED Display (720×1280 Pixel)
- 1GB Arbeitsspeicher
- 16GB Interner Speicher, erweiterbar per Micro-SD
- 2000mAh Akku
- Micro-USB 2.0, Bluetooth 4.1, LTE CAT 4, WLAN b/g/n, A-GPS, NFC
Für die Mittelklasse also normale Kost, auch ein paar Parallelen zum Vorgänger Lumia 640 gibt es. Insgesamt macht die Hardware ihren Job auch wie erwartet, allerdings hatte das Lumia 650 anfangs noch einige Probleme mit der Software, sodass es zu Rucklern, langen Ladezeiten und einer insgesamt eher schlechten Performance kam. Mit dem Update auf die Version .164 wurden diese Fehler allerdings behoben und das 650 läuft jetzt butterweich und sämtliche Ruckler sind verschwunden.
Da ich das mittlerweile auch schon mehrmals gefragt wurde: Das Lumia 650 unterstützt weder USB OTG, noch Double-tap-to-wake, also entsperren per doppeltippen auf das Display. USB-Sticks oder Eingabegeräte wie Maus oder Tastatur funktionieren durch die fehlende OTG-Unterstützung über den USB 2.0 Port ebenfalls nicht. Möglich wäre aber auch hier eine Software-Beschränkung, da die Hardware theoretisch in der Lage sein sollte.
Das AMOLED Display mit seiner Auflösung von 720×1280 Pixeln gehört zwar zu den besseren Displays, dennoch ist die vermeintlich geringe Auflösung einer meiner größten Kritikpunkte an der Hardware. Die Blickwinkelstabilität und Farben des Displays brauchen sich definitiv nicht verstecken. Wie man es von AMOLED Displays so kennt, sind die Farben knackig und schwarz ist auch wirklich schwarz. Wie gewohnt lässt sich das Display an die eigenen Vorstellungen anpassen – von übertrieben knallig bis zu kränklich blass. Auch ist es egal ob ich perfekt frontal drauf schaue, oder aus sehr steilem Winkel, es gibt nahezu keine Bildveränderungen durch Verändern des Blickwinkels.
Der Knackpunkt ist aber die Auflösung in Verbindung mit dem AMOLED Panel: Bei hellen Inhalten und Schrift kommt es zu Treppenbildung – Schrift wirkt also kantig, grobkörnig und bei weißen Seiten kann man ein Pixelraster sehen. Das ist zwar kein Weltuntergang, aber es trübt den Gesamteindruck der Hardware ein wenig.
Gehen wir weiter zur Software. Über Windows 10 Mobile hatte ich ja bereits im Test zum Microsoft Lumia 950XL Einiges geschrieben. Zwischenzeitlich gab es noch ein kleineres Update auf die Build .107. Große Unterschiede gibt es allerdings nicht. Es sollte zwar Stabilitätsverbesserungen bringen, so recht gemerkt hat man davon allerdings nichts. Diese kamen dann mit dem Update auf die Version .164, das kurz vor Ende meines Tests veröffentlicht wurde.
Aber von vorn: Windows 10 Mobile an sich ist ein durchaus gutes und durchdachtes System, das aktuell noch mit ein paar Kinderkrankheiten zu kämpfen hat. Die Bordmittel wie die Kalender-App, die Möglichkeit Rufnummern direkt über die Telefonapp für Nachrichten und Anrufe zu sperren, die Live-Tiles, Cortana und die Integration in das Microsoft Ökosystem insgesamt sind alles Punkte, die ich sehr gerne nutze. Auch der Glance-Screen, oder „Blick“ wie er in der deutschen Übersetzung genannt wird, ist ein geniales Feature. Das erkennt man u.a. auch daran, dass Samsung und LG uns das Gleiche nun als „Allways-On“ Display und große Innovation auf dem MWC vorstellten ;).
Das Bedienkonzept insgesamt gefällt mir einfach sehr gut, auch viele Kritikpunkte aus Windows Phone 8.1 wurden mit Windows 10 Mobile ausgemerzt. Allein wie oft ich über die chaotischen Einstellungen geflucht habe, die nun schön ordentlich kategorisiert sind.
Doch das System steht und fällt mit seinen Apps und natürlich der Stabilität. Schon bei den Hauseigenen Microsoft Apps hat man oft den Eindruck, dass die verschiedenen Abteilungen nicht miteinander reden dürfen. Die Menüs sind inkonsistent, die Apps greifen nicht wirklich ineinander, einige sind instabil oder funktionieren einfach nur halb. Beispiele? Klar: Die Outlook Mail App ist da so ein Kandidat. Großartiges Konzept, angenehme Bedienung, aber die Notifications funktionieren einfach nicht. Im Lockscreen werden fünf neue Mails angezeigt, aus denen im Notification-Center zwei werden, in den Live-Tiles noch eine und am Ende waren es dann drei ungelesene E-Mails. Ja, ich weiß, unlogisch oder?
Gepaart wird die Inkonsistenz dann mit Instabilität, was nicht immer zum Absturz der App führt, aber häufig dazu, dass die App komplett geschlossen und neu gestartet werden muss. Ein Beispiel ist die Fotos-App, die sich gerne mal aufhängt, sodass man keine Fotos mehr über WhatsApp, Telegram und Co. Teilen kann. Das Kuriose ist dabei, dass das Auswahlfenster für Fotos noch erscheint, man beim Antippen des Fotos aber immer ein Foto rechts unterhalb des gewünschten Fotos auswählt.
Insgesamt ist die App-Basis weiterhin relativ dünn und viele Apps sind noch nicht richtig angepasst. Offizielle Apps der „großen“ Anbieter wie Facebook, Twitter (mittlerweile durch ein großes Update auf Augenhöhe mit iOS/Android), Instagram (jetzt immerhin als Beta) oder gar Google fehlen entweder komplett, oder wenn vorhanden sind es alte, eher rudimentäre Versionen. Klar gibt es Alternativen wie 6Tag für Instagram oder Aeries, Tweet it! und Tweetium für Twitter, aber auch diese Alternativen haben noch so ihre Probleme mit der neuen Windows Plattform.
Ich sehe weiterhin viel Potenzial in Windows 10 Mobile, doch gerade seitens der Apps muss sich auch Microsoft noch ordentlich Mühe geben. Das System an sich lief wie erwähnt seit dem Update auf die .164 sehr stabil und performant, hier hat Microsoft also seine Hausaufgaben gemacht.
Schauen wir uns die Kamera an. Im Lumia 650 setzt Microsoft auf einen 8 Megapixel Sensor ohne Optische Stabilisierung, als Blitz dient ein einfacher LED-Blitz und der dedizierte Kamera-Button wurde wegrationalisiert. Auf Seiten der Software gibt es dagegen keine Unterschiede zu den Flaggschiff-Modellen. Die Lumia Kamera App bietet sehr umfangreiche Einstellungsmöglichkeiten, von der Belichtung über den Fokus bis hin zum Weißabgleich kann nahezu alles manuell eingestellt werden. Die App ist auf jedem Lumia die Gleiche, wer sie also kennt, weiß wie sie funktioniert.
Aufnahmen im Automatik-Modus gelingen in den meisten Fällen sehr gut und dürften für die meisten Nutzer reichen. Hier und da kann man durch manuelle Einstellungen aber natürlich noch deutlich mehr herausholen. Bei Tageslicht bzw. guter Beleuchtung sind die Fotos gut und geben kaum Anlass zur Kritik. Hier und da ist zwar mal eine Aufnahme überbelichtet, aber das kommt halt vor.
Bei wenig Licht bemerkt man aber schnell die Grenzen des Lumia 650. Die Bilder rauschen sehr stark, Farben wirken blass und verfälscht und der Autofokus hat sichtlich zu kämpfen, das Bild scharf zu stellen. Mit Blitz wird es nicht viel besser, wobei man hier zwischen den beiden Blitz-Modi unterscheiden muss. Aktiviert man den Blitz dauerhaft, neigen die Aufnahmen zu punktueller Überbelichtung, überlässt man es aber komplett der Automatik ob sie den Blitz nutzen will oder nicht, sind die Aufnahmen mit Blitz ok, aber auch nicht überwältigend. Generell ist bei Nutzung des Blitzes die Bildmitte sehr hell, während die Ränder stark abdunkeln.
Praktischerweise war ich während meines Testzeitraums auf dem MWC in Barcelona, sodass ich einige Fotos mit dem Lumia 650 gemacht habe, die ihr natürlich unbearbeitet zu sehen bekommt um euch selbst ein Bild zu machen.
Die Akkulaufzeit ist wie immer mein subjektiver Eindruck und kann bei jedem Nutzer anders ausfallen. Gerade zum Mobile World Congress wurde das Lumia 650 extrem beansprucht und das Display war ständig an, während nebenbei Mails synchronisierten, diverse Messenger ständig liefen und es auch hier und da als Hotspot herhalten musste. Das forderte seinen Tribut und der Akku war meist schon gegen 14 Uhr auf 30 bis 40% runter. Ohne Powerbank ging also nichts. Aber das war wie gesagt der Worst Case und fällt eher in die Kategorie Heavy-User.
Zurück in Berlin, zurück im Alltag, sieht es schon etwas besser aus und ich komme über den Tag ohne Powerbank. Allerdings bleiben am Ende des Tages auch nahezu keine Reserven übrig. Der Alltag sieht in etwas so aus: Morgens und abends werden im Zug die News gelesen per Feedreader, dazu etwas Twittern, gegebenenfalls auch ein wenig surfen und die üblichen Messenger nutzen. Was man im Zug halt so macht, wenn man weder Buch, noch gedruckte Zeitung oder Begleitung dabei hat. Tagsüber liegt es die meiste Zeit auf dem Tisch und synchronisiert ein paar Mailkonten etc. und am Abend wird auf dem Sofa eventuell noch etwas gesurft oder geschrieben. Also nichts Wildes so insgesamt.
Allerdings erhalte ich dennoch meistens gegen 11 Uhr abends schon die Meldung, der Akkustand sei sehr niedrig und somit unter 10%. Gemessen an der Nutzung ist das recht ernüchternd, vor allem wenn man die erheblich bessere Akkulaufzeit des Lumia 640 als Vergleich heranzieht. Allerdings kam der Vorgänger auch mit einem 2500mAh Akku daher, während der Akku im Lumia 650 auf 2000mAh geschrumpft ist. Hin und wieder ertappte ich auch Edge, wie er im Hintergrund den Akku leer saugte.
Auch beim Akku vermute ich aber, dass ein Feinschliff fehlt um die Laufzeit zu erhöhen. Ob sie mit dem letzten Update wie angekündigt verbessert wurde, kann ich noch nicht beurteilen – bisher hat sich zumindest keine Besserung eingestellt.
Fazit
Insgesamt hinterlässt das Lumia 650 trotz der Software-Pannen einen guten Eindruck. Die Haptik und Verarbeitung sind einfach grandios, die Kamera ist gut genug und das Gesamtpaket stimmt einfach – auch hinsichtlich des Preises.
Was fehlt ist weiterhin eine solide App-Basis, auch wenn es für viele Dienste Lösungen von Drittanbietern gibt. Das Ökosystem muss hier noch wachsen, was hoffentlich durch die Universal Windows Plattform und die einfachere Portierung von iOS Apps bald in Schwung kommt. An vorhandenen Apps muss auch weiterhin gefeilt werden, ebenso an den systemseitigen Push-Notifications.
Insgesamt bietet das Lumia 650 aber alles was man braucht und sogar noch mehr. Gerade hinsichtlich des günstigen Preises bekommt man sehr viel Smartphone für sein Geld, dass seinen Dienst zuverlässig verrichtet. Meistens. 😉