Das Huawei P9 Lite gehört zu den Android Mittelklasse-Smartphones und gleicht seinem größeren Bruder P9 äußerlich fast bis aufs Haar. Die Ausstattung ist beim Lite aber nicht ganz so üppig. Wir haben uns angesehen, ob weniger mehr ist und wie sich das abgespeckte P9 dauerhaft im Alltag schlägt.
Von außen betrachtet
Manchmal ist der kleinere Bruder der größere. Das trifft auch auf das Huawei P9 Lite zu, denn das Smartphone ist mit 146,8 x 72,6 x 7,5 mm rund 1,7 mm breiter, 1,8 mm länger und 0,55 mm dicker als das P9. Die Frontansicht ist nahezu identisch. Das Glas ist beim P9 Lite aber gerade und zu den Rändern nicht abgerundet wie beim P9. Der Rahmen des Lite besteht aus Metall, die Rückseite aus Kunststoff und nicht aus Aluminium wie beim P9. Billig wirkt der Kunststoff aber nicht. Mit einem Gewicht von 147 g ist das Lite für ein Phablet dieser Größe durchschnittlich leicht. Die Rückwand ist nicht abnehmbar, der Akku kann also nicht einfach selbst getauscht werden. Dafür hält das Phablet wie die meisten verschlossenen Smartphones ein wenig Spritzwasser stand. Wasserdicht ist es aber nicht. Als Farbvarianten stehen Schwarz, Weiß und Gold zur Verfügung. Im Test hatten wir die schwarze Ausführung.
Die Verarbeitung des Gehäuses ist gut, hier und da treten Lücken und Höhenunterschiede zwischen Materialübergängen auf, beispielsweise bei der glänzenden Kunststoffleiste, die die rückwärtige Kamera umgibt oder bei den Plastik-Inlets im Metallrahmen für die Antennen.
Die Power-Taste und die Lautstärkewippe liegen wie üblich bei Huawei am rechten Rand und arbeiten hervorragend, geben ein dezent „knackiges“ Feedback und verfügen über einen spürbaren Druckpunkt. Die Bedienelemente bestehen aus Kunststoff, beim P9 sind sie aus Metall. Funktionieren tun sie beim Lite trotzdem prima.
Großes Display mit kleinen Einschränkungen
5,2 Zoll bei einem Display ist ein guter Kompromiss. Zum einen bietet es genügend Fläche, um Inhalte in ordentlicher Größe darzustellen, was besonders das Surfen erleichtert, zum anderen ist das Smartphone trotz des großen Displays noch recht handlich.
Das Display löst mit 1920 x 1080 Bildpunkten auf. Bei einer Pixeldichte von 424 ppi stellt es alle Inhalte mit guter Bildschärfe dar. Das IPS-Display ist weitgehend blickwinkelunabhängig, nur die Helligkeit nimmt aus besonders spitzen Winkeln ab. Die Farbwiedergabe ist gut, leicht übersaturiert, aber nicht so, dass die Farben verfälscht werden. Bei Bedarf stellt man die Farbtemperatur des Displays den eigenen Sehgewohnheiten entsprechend auf wärmer oder kälter um. Die maximale Helligkeit liegt bei 403 cd/m2, sodass es sich auch in heller Umgebung noch ordentlich ablesen lässt. Bei direkter Lichteinstrahlung oder Lichtspots kapituliert das Display aber, wie bei den allermeisten Smartphones. Weniger gut gefällt die ungleichmäßige Ausleuchtung des Displays, das untypisch in der Mitte sichtbar dunkler ausfällt. Die Abweichung lag bei unserem Testgerät bei knapp 15 Prozent im Vergleich zu den Rändern. Das Kontrastverhältnis ist mit 1679:1 prima, was aus einem guten Schwarzwert von 0,24 cd/m2 resultiert. Insgesamt liegt die Display-Leistung im guten Bereich. Im Alltagsbetrieb fallen die kleinen Einschränkungen nicht ins Gewicht.
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Anwendungs- und Grafikleistung unter Android 6.0 Marshmallow
Im Huawei P9 Lite arbeitet ein hauseigener Octa-Core-Prozessor. Der HiSilicon Kirin 650 SoC enthält einen 64-Bit-Prozessor, der mit 4 x 2,0 und 4 x 1,7 GHz taktet. Er liefert eine durchschnittliche Performance, wenn man als oberste Messlatte High-End-Androiden wie das Samsung Galaxy S7 ansetzt. In der Praxis sind CPU und die interne Mali-T830 MP2 Grafik schnell genug, um nicht nur Standardaufgaben zu lösen und für eine flüssige Bedienung zu sorgen, sondern auch um aufwendigere 3D-Spiele ruckelfrei darzustellen. Das Smartphone wird bei solch hohem Leistungsabruf auf der Rückseite spot-artig bis zu 55,4 °C heiß, erwärmt sich ansonsten nur auf etwas mehr als 40 °C. Eine gute Figur macht das Smartphone mit Android 6.0 Marshmallow Betriebssystem beim Surfen. Umfangreiche Webseiten rendert es im Chrome-Browser flott und dank des üppigen Arbeitsspeichers von 3 GB kann man ruhig mehrere Tabs geöffnet haben, ohne dass die Webseiten beim Wechsel erneut geladen werden müssen.
Huawei verzichtet auf eine üppige Flash-Speicher-Ausstattung und spendiert dem P9 Lite nur 16 GB. Davon bleiben etwa 10,5 GB für den Anwender übrig, obwohl kaum zusätzliche Software vorinstalliert ist. Der chinesische Hersteller setzt auf die üblichen Google-Apps, ein paar Spiele und ein paar nützliche Helferlein wie einen Datei-Explorer, eine Notiz-App, Taschenlampe und Radio, verzichtet also auf nervige Bloatware. Benötigt man mehr Speicher, dann erweitert man ihn mit einer microSD-Karte bis zu 256 GB. Die Apps laufen unter der mittlerweile bewährten EMUI 4.1 Oberfläche, die nicht nur schlicht und funktional aussieht, sondern sich auch angenehm bedienen lässt und ressourcen-sparend arbeitet.
Unscharf: 13-Megapixel-Hauptkamera
Wie alle neueren Huawei-Smartphones unterstützt das P9 Lite eine Ultra-Schnappschussfunktion aus dem Standby heraus. Zwei Mal schnell hintereinander auf die Leiser-Taste drücken, und etwa 1,2 Sekunden später ist die Aufnahme im Kasten. Fotos gelingen mit der rückwärtigen 13-Megapixel-Kamera mit einer Blende von f/2,0 allerdings unerwartet unscharf. Dabei spielen die Lichtbedingungen keine Rolle. Selbst bei guten Lichtverhältnissen sind die Bilder matschig. Man glaubt nicht, dass es sich um Aufnahmen mit einer Auflösung von 4160 x 3120 Bildpunkte handelt. Die sonstige Abbildungsleistung hinsichtlich der Farbwiedergabe ist gut, die Kontraste ordentlich.
Bildrauschen setzt bei dem Bildsensor sehr früh ein. Dazu muss es gar nicht besonders dunkel sein. Schon bei Innenaufnahmen unter Kunstlicht gelingen Fotos nicht ohne Rauschartefakte. Durch die Kombination aus Unschärfe und Bildrauschen gehen nicht nur bei Nachtaufnahmen Details flöten, sondern prinzipiell bei allen Fotos, egal wie gut oder schlecht die Lichtbedingungen sind. Das reicht nur für anspruchslose Schnappschüsse, nicht aber für Aufnahmen, die man auch mal herumzeigen möchte. Die Kamera bleibt deutlich hinter den Erwartungen und kann mit der Leica-Doppel-Kamera des P9 nicht mithalten.
Videos zeichnet man in Full HD 1080p bei maximal 30 Frames pro Sekunde auf. Die Bildschärfe ist etwas besser. Das aufgezeichnete Video gibt Farben und die Lichtsituation, wie sie bei der Aufzeichnung vorlagen, gut wieder. Die Aufnahmen ruckeln sichtbar, was bei 30 Frames pro Sekunde eigentlich nicht sein sollte.
Die 8-Megapixel-Frontkamera besitzt bei 3264 x 2448 Pixel Auflösung eine höhere Bildschärfe als die Hauptkamera. Selfies gelingen mit ihr detailscharf und in guter Qualität. Wer mag, benutzt die integrierte Verschönerungsfunktion, um das eigene Gesicht etwas glattzubügeln und Hautunreinheiten zu entfernen. Die Selfie-Kamera des P9 Lite hinterlässt einen guten Eindruck, denn Fotos gelingen auch bei dunkleren Lichtverhältnissen in Innenräumen in guter Qualität. Für Videochats ist die Kamera deshalb ebenfalls prima geeignet.
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Ordentlicher Klang
Die Musikwiedergabe über den internen Mono-Lautsprecher gelingt erstaunlich gut, solange man die Lautstärke nicht mehr als zwei Drittel aufdreht. Bei höherer Lautstärke treten sofort Verzerrungen auf. Insgesamt ist die Tonausgabe dennoch zu leise, um damit morgens im Bad für ein bisschen Stimmung zu sorgen. Bässe fehlen, Mitten sind ansatzweise da, Höhen sind ok. Dauerhaft mag man damit zwar keine Musik anhören, als Notlösung, wenn keine externen Lautsprecher vorhanden sind oder bei YouTube-Videos, kann der interne Lautsprecher durchaus überzeugen. Eine Handmassage gibt es dabei übrigens gratis, denn das Gehäuse vibriert bei der Wiedergabe.
Huawei legt dem P9 Lite das gleiche Headset bei, wie es auch bei den Oberklasse-Modellen mitgeliefert wird. Der Klang wirkt damit dünn, ohne aber jegliche Details zu unterdrücken. Bässe fehlen, Mitten sind ansatzweise vorhanden, die Höhen kommen nicht ganz klar rüber. Die maximale Lautstärke ist hoch, man wird sie aber, auch um Verzerrungen zu vermeiden, nicht höher als 80 Prozent drehen.
Sonstige Ausstattung
Mittlerweile muss man bei Mittelklasse-Modellen im Vergleich zu High-End-Smartphones auf gar nicht mehr so viel verzichten. Das ist auch beim P9 Lite der Fall. Das Dual-SIM-Smartphone erlaubt die Verwendung von zwei Nano-SIMs gleichzeitig. Eine Speichererweiterung ist dann aber nicht mehr möglich. Hier gilt: entweder eine zweite SIM oder eine microSD-Karte. Der erste Slot unterstützt mobilen LTE-Datenfunk mit bis zu 150 Mbit/s (Cat4), der zweite nur 2G. Zum Vergleich: Das P9 kann Cat6 mit bis zu 300 Mbit/s im Downstream. In der Praxis wird man den schnelleren Datenfunk aber kaum vermissen. Etwas stärker ins Gewicht fällt da schon fehlendes WLAN-ac beim Lite. Es unterstützt lediglich 801.11 b/g/n im 2,4-GHz-Band. Die übrige Ausstattung ist auf dem aktuellen Stand: An Nahbereichsfunk ist Bluetooth 4.1 an Bord und selbst Near Field Communication (NFC) ist integriert.
Auf der Rückseite des Smartphones befindet sich ein Fingerabdruckscanner, der nach einer kurzen Anlernphase sehr zuverlässig und schnell arbeitet. Selbst feuchte Finger mindern die Erkennungsleistung nicht.
Kurze Akkulaufzeit, lange Ladezeit
Im Huawei P9 Lite befindet sich ein 3000-mAh-Akku. Das macht Hoffnung auf eine lange Laufzeit. In der Praxis fällt sie aber recht kurz aus. Schon bei unserem mehrtägigen Nutzungstest mussten wir das Smartphone bereits nach einem Tag durchschnittlicher Nutzung aus Telefonieren, Surfen, Mailen, Chatten und Musikhören wieder aufladen. Die meisten vergleichbaren Smartphones schaffen normalerweise eine Akkulaufzeit von mindestens eineinhalb Tagen. In unserem Videotest mit Abspielen eines Films in Dauerschleife kamen wir dann auch nur auf magere sieben Stunden, auch hier halten ähnliche Smartphones in der Regel etwa drei Stunden länger durch. Diese Zeit und etwas mehr nimmt sich das P9 Lite dann beim Aufladen: 3:32 Stunden sind deutlich zu lange. Hier macht sich die fehlende Schnellladefunktion bemerkbar.
Fazit
Das Huawei P9 Lite hinterlässt einen guten Eindruck beim Display sowie bei der Anwendungs- und Grafikleistung. Ausstattungsmäßig muss man auf fast nichts verzichten. Die Verarbeitung und die verwendeten Materialien geben keinen Anlass zu besonderer Kritik. Im Vergleich zum fast doppelt so teuren P9 muss man wenige Abstriche machen. Ungewöhnlich für Huawei Smartphones ist aber die qualitativ eingeschränkte Hauptkamera des P9 Lite: sie nimmt nur unscharfe matschige Fotos auf. Genauso wenig gefällt die geringe Akkulaufzeit und die lange Ladezeit. Bei Kamera, Akkulaufzeit und Ladezeit liegt der größere Bruder P9 weit vor dem P9 Lite. Weniger ist dann eben doch nicht immer mehr.