Dem Top-Smartphone Samsung Galaxy S7 ist schwer beizukommen, gilt doch seit Jahren jeder S-Klasse-Androide der Koreaner als unangefochtenes Spitzenmodell. Dass auch andere gute Smartphones bauen können, beweist HTC mit seinem 10. Das ist pickepacke vollgestopft mit aktueller Technik, sieht schick aus und preislich erschwinglich. Wir haben einen genauen Blick auf das HTC 10 geworfen und zeigen, ob und was es besser als das Samsung Galaxy S7 kann.
Alu-Unibody und Bedienelemente
HTC hat mit seinen Spitzenmodellen One in den letzten Jahren einige Höhen und Tiefen mitmachen müssen. Besonders die Ultrapixel-Kamera, die zwar lichtstark war, aber eine magere Auflösung bot, konnte nicht überzeugen. Mittlerweile ist HTC aufgegangen, dass man nicht in der Oberklasse mitspielen kann, wenn die Kamera nicht beides bietet: lichtstark zu sein und eine hohe Auflösung zu haben. Beim letztjährigen Modell One M9 war die Kameraauflösung dann zwar riesig, die Aufnahmen jedoch – sagen wir mal – verbesserungsbedürftig. Mit dem HTC 10 soll dieses Jahr alles besser sein, die Schwächen beseitigt und alte Tugenden der Vorgänger übernommen worden sein.
Das fängt bereits beim Design an. Seit dem HTC One wurden nur wenige Veränderungen vorgenommen. Das nach IP53-Standard staubdichte und spritzwassergeschütze Unibody-Gehäuse ist schlicht und liegt dank der abgerundeten Rückseite sehr gut in der Hand. Verfügbar ist es in den Farbvarianten Grau, Silber und Gold. Die Haptik ist hervorragend, die Verarbeitung makellos, das Aussehen gefällt. Im Vergleich zu anderen Spitzen-Smartphones ist das HTC 10 mit 10 mm Dicke aber etwas pummelig geraten. Ansonsten fällt das Gehäuse mit 146 x 72 mm fast genauso kompakt aus, wie beispielsweise das des sehr schlanken Huawei P9, das ebenfalls über ein 5,2 Zoll großes Display verfügt. An das vergleichsweise hohe Gewicht von 162 g gewöhnt man sich beim HTC 10 recht schnell.
Im Gegensatz zu den Spitzenmodellen der Konkurrenz setzt HTC auf Sensortasten für Homebutton, Menü und Zurück, verzichtet also auf einen physischen Knopf und beschneidet den Bildschirm nicht durch das Einblenden der Android-Schaltflächen auf dem Bildschirm. Der Homebutton ist optisch hervorgehoben, reagiert auf Druck und ist außerdem ein Fingerabdrucksensor. Der arbeitet nach einer kurzen Anlernphase extrem schnell, erkennt auch feuchte Fingerkuppen zuverlässig und kann damit locker mit den Scannern eines Samsung Galaxy S7 oder Apple iPhone 6s (Plus) mithalten. Die beiden Sensortasten befinden sich unsichtbar links und rechts vom Homebutton. Erst wenn man sie berührt, zeigen die LED-beleuchteten Symbole, dass sich dort Tasten verbergen. Das ist zunächst gewöhnungsbedürftig, aber nicht störend.
Die übrigen Bedienelemente befinden sich auf der rechten Geräteseite: eine Lautstärkewippe und ein geriffelter Powerbutton. Sie arbeiten knackig, sodass man als Benutzer ein prima Feedback bekommt.
Ein Display sieht Rot
Das 5,2 Zoll große IPS-Display besitzt eine standesgemäße QHD-Auflösung von 2560 x 1440 Bildpunkten. Bei einer Pixeldichte von 564 ppi ergibt sich eine äußerst scharfe Abbildung. Einzelne Pixel sind nicht mehr erkennbar. Dazu passt die extrem hohe Blickwinkelstabilität, die schon recht nahe an die eines AMOLED-Displays herankommt. Auffällig ist jedoch, dass aus sehr spitzen Winkeln ein insgesamt vorhandener Rotstich deutlicher ersichtlich ist. Ansonsten gibt es an der Farbwiedergabe nichts auszusetzen: Das Display bildet weitgehend den sRGB-Farbraum ab. Die Farben sind gefällig, der leichte Rotstich in hellen Flächen aber sichtbar. Das Kontrastverhältnis fällt mit 1865:1 sehr hoch aus, der Schwarzwert ist mit 0,20 cd/m2 sehr gut. Was weniger gefällt, ist die Gesamthelligkeit des Displays, die bei unserem Testmodell mit 373 cd/m2 deutlich unter der der Mitbewerber liegt. Zum Vergleich: ein Samsung Galaxy S7 erreicht eine Luminanz von 527 cd/m2 und ein Huawei P9 490 cd/m2, schlechter macht es nur das LG G5 mit nur 340 cd/m2. In der Praxis reicht zwar auch die Bildschirmhelligkeit des HTC 10 für viele Lichtsituationen aus, bei hellem Tageslicht oder spotartigem Lichteinfall wirkt das Display aber zu dunkel. Außerdem nahm bei unserem Testmodell die Bildschirmhelligkeit zu den Rändern um mehr als 10 Prozent sichtbar ab. Durch die geringe Gesamthelligkeit, die ungleichmäßige Bildschirmausleuchtung und den leichten Rotstich schafft es das Display nicht in den Spitzenbereich.
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Top-Leistung mit Quad-Core
Spitze fallen dagegen die Leistungswerte aus, die der Qualcomm Snapdragon 820 SoC mit integrierter Adreno 530 Grafik und satten 4 GB Arbeitsspeicher erreicht. Der Quad-Core-Prozessor taktet mit maximal 2 x 2,2 und 2 x 1,6 GHz. Bei den synthetischen Benchmarks erreicht der Prozessor im Zusammenspiel mit der flotten Grafik und dem üppigen Arbeitsspeicher Spitzenwerte, die an die Ergebnisse des Klassenprimus Samsung Galaxy S7 mit Octa-Core-Prozessor heranreichen. Praktisch gibt es momentan keine mobile Anwendung, die das HTC in Verlegenheit bringt. Egal ob Standardanwendung oder 3D-Autorennspiel: Das 10 bewältigt alle Aufgaben schnell und ruckelfrei. Beim Surfen machen sich neben der reinen Anwendungsleistung auch die 4 GB Arbeitsspeicher positiv bemerkbar. Aufwendige Webseiten werden schnell gerendert und ein zügiger Tab-Wechsel, ohne die Webseiten nachladen zu müssen, ist garantiert. Bei hohem Leistungsabruf wird das Smartphone auf der Rückseite punktuell bis zu 52 °C warm. Bei Standardanwendungen hält sich die Hitzeentwicklung in erfreulichen Grenzen. Die Rückseite wird dann etwas mehr als handwarm: um die 40 °C.
Auch das Android Marshmallow Betriebssystem mit seiner Sense-8-Oberfläche lässt sich flüssig bedienen. HTC hat seinem High-Ender bereits die Android-Version 6.01 spendiert. Die Sense-Oberfläche unterscheidet sich kaum vom Stock-Android, lässt sich aber nach Bedarf weitgehend anpassen. Typische HTC-Funktionen wie beispielsweise der Nachrichten-Reader BlinkFeed sind ebenfalls enthalten. Außerdem liefert HTC neben den bekannten Google Apps einige hauseigene Anwendungen wie einen Mail-Client, einen Kalender und ein Adressbuch mit. Für viele Anwender dürften sie verzichtbar sein, sind doch bereits passende Google Anwendungen installiert. Deinstallieren lassen sich die HTC-Apps nicht. Immerhin verfügt das HTC 10 über 32 GB Speicher, von denen zum Start etwa 23,9 GB für den Anwender zur Verfügung stehen. Benötigt man mehr, lässt sich der Flash-Speicher per microSDXC-Karte um bis zu 256 GB erweitern.
Es werde Licht mit Ultra-Pixeln
Bei den Kameras ist man bei HTCs Spitzenmodellen der letzten Jahre ja einiges gewohnt. Umso gespannter waren wir, wie es mit den Kameras im diesjährigen HTC 10 bestellt ist. Die Hauptkamera (f/1,8) auf der Rückseite löst mit maximal 12 Megapixeln im 4:3-Format auf. Die Bildauflösung beträgt damit 4000 x 3000 Bildpunkte. Der Bildsensor fällt mit 1/2,3 Zoll üppig aus, sodass einzelne Pixel eine Kantenlänge von 1,55 Mikrometern aufweisen und entsprechend mehr Licht einfangen können als kleinere Pixel. HTC ist also zur Ultrapixel-Kamera zurückgekehrt, wenngleich jetzt aber auch die Auflösung hoch genug ist.
Die Kamera fokussiert in weniger als einer Sekunde im Durchschnitt recht schnell. Mitunter kam es jedoch bei Motiven mit vielen kleinen einzelnen Details, wie beispielsweise bei Pflanzen, vor, dass keine Fokussierung über den Laser-Autofokus erfolgte. In solchen Fällen muss man neu ansetzen oder den Fokuspunkt manuell über den Bildschirm festlegen.
Bevor man eine Aufnahme anfertigt, sollte man unbedingt die Linse von Fingerabdrücken und Staub befreien. Wie schon beim Vorgängermodell liegt das Objektiv etwas weiter von der Objektivabdeckung entfernt, was bei Verschmutzungen zu unerwünschten Lichtbrechungen führen kann, die die Aufnahme ruinieren. Ist die Linse sauber, gelingen Fotos bei Tageslicht deutlich besser als mit der 20-Megapixel-Hauptkamera im letztjährigen HTC One M9. Die Lichtsituation während der Aufnahme spiegeln die Fotos sehr gut wieder. Die Farben sind weder zu mau noch zu knallig. Der Dynamikumfang im Bild ist ausgewogen. In hellen und dunklen Flächen bleiben Details erhalten. Leichtes Bildrauschen zeigt sich schon bei ordentlichen Lichtverhältnissen. Trotzdem gelingen Nachtaufnahmen vergleichsweise gut, wobei das Rauschen digital mit einem Filter geglättet wird, sodass Bilddetails verloren gehen. Der integrierte optische Bildstabilisator sorgt für verwackelungsfreie Aufnahmen. Wer mehr aus der Kamera herausholen möchte, aktiviert die Profi-Einstellungen, die unter anderem eine manuelle Anpassung des ISO-Wertes und der Belichtungszeit erlauben.
Gut gefällt die Videoaufzeichnung in Full HD mit 60 Bildern pro Sekunde und in 4K. Die Video-Abbildungsleistung entspricht weitgehend der Abbildungsleistung der Fotokamera. Bei 4K-Aufnahmen ruckelt das Bild mitunter. Der Laser-Autofokus schafft es nur mit sichtbarer Verzögerung, die Bildschärfe bei Schwenks oder Motivwechseln anzupassen.
Die Frontkamera löst mit 5 Megapixeln recht niedrig auf und ist für Fotos mit 2592 x 1944 Pixeln gut. Viele High-End-Androiden setzen mittlerweile 8-Megapixel-Kameras ein. Mit der HTC-10-Kamera gelingen dennoch hübsche Selfies, die auch bei schwierigen Lichtverhältnissen noch gut aussehen. Um Verwackelungen muss man sich dabei kaum Sorgen machen, denn die Frontkamera hat ebenfalls einen optischen Bildstabilisator an Bord.
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BoomSound in zwei Klassen
Die meisten Vorgängermodelle des HTC 10 konnten mit einem guten Stereosound überzeugen. Im HTC 10 ist jetzt ein 2-Wege-System eingebaut: Der Lautsprecher oben soll für die Höhen verantwortlich sein, der Lautsprecher an der Unterkante Mitten und Bässe ausgeben. Was in der Theorie gut klingt, tut es in der Praxis nicht. Bässe fehlen, Mitten sind irgendwo vorhanden, ergeben aber zusammen mit quäkigen, teilweise verzerrten Höhen einen unschönen Klangmix, dem es an Dynamik und Details fehlt. Obendrauf gibt es noch unerwünschten Hall. Die integrierten Lautsprecher sind für Musikhören nicht geeignet.
Ganz das Gegenteil ergibt sich mit dem beiliegenden In-Ear-Headset. Bässe sind vorhanden, wenn auch etwas dumpf. Mitten sind hörbar, die Höhen recht klar vorhanden. Details sind ebenfalls hörbar. Der beste Smartphone-Sound, den ich im letzten Jahr gehört habe. Über die BoomSound-Einstellungen lässt sich das Audio-Profil des Headsets dem eigenen Hörvermögen über Frequenzanpassungen noch ein wenig verbessern. Perfekt ist das Ergebnis zwar nicht, die dröhnenden Bässe dominieren dann aber nicht mehr ganz so stark. Benutzt man einen anderen Kopfhörer, legt man ein neues Audio-Profil an. Mit anderen Kopfhörern konnten wir allerdings nicht so gute Ergebnisse erzielen wie mit dem HTC-Headset.
Sonstige Ausstattung
Das LTE-Modul des HTC 10 erreicht 450 Mbit/s im Downstream und 50 Mbit/s im Upstream. Unter den High-End-Smartphones bietet das aktuell ansonsten nur Samsung im Galaxy S7 an, bei allen anderen ist bei 350 Mbit/s Schluss. Neben dem schnellen mobilen Datenfunk unterstützt HTCs Spitzenmodell WLAN-ac im 2,4- und 5-GHz-Frequenzband. An Nahfunk sind Bluetooth 4.2 und NFC integriert. Außerdem unterstützt das HTC Apples AirPlay. Dazu muss das aktuelle HTC Connect installiert sein, das man per Dreifinger-Swipe von oben nach unten aufruft. In der Liste der verfügbaren Geräte wählt man dann das AirPlay-Gerät aus. Im Test funktionierte zwar die Zusammenarbeit mit AirPlay-Lautsprechern, die Wiedergabe eines Videos auf einem Apple TV 3 klappte dagegen nicht.
Akkulaufzeit und Ladezeit
3000 mAh beträgt die Kapazität des festeingebauten Akkus im HTC 10. Das reicht für fast eineinhalb Tage Laufzeit in einem bunten Mix aus Surfen, Mailen, Chaten, Musikhören und gelegentliches Telefonieren. Unser Testvideo spielte das HTC 10 in Dauerschleife knapp 9 Stunden ab. Das ist ein durchschnittlicher Wert. Der Akku lädt über das beiliegende Netzteil über den USB-C-Anschluss flott auf: Nach 1:45 Stunden war der Akku wieder vollgepumpt. Die Schnellladeautomatik benötigt nur knapp 40 Minuten, um das Smartphone auf 50 Prozent aufzuladen.
Fazit
Materialauswahl, Verarbeitung und Haptik befinden sich beim HTC 10 auf dem gewohnt hohen Niveau. Ein bisschen dünner und leichter könnte es sein. Die Anwendungsleistung liegt genauso im High-End-Bereich wie die Ausstattung. Es steckt alles drin, was man sich von einem Oberklasse-Smartphone wünscht. Auch die Hauptkamera überzeugt nach den Experimenten der letzten Jahre. Weniger Oberklasse ist das hochauflösende, aber lichtschwache QHD-Display, das bei unserem Testmodell einen leichten Rotstich zeigt. Beim Sound dann ein Wechselbad der Gefühle: Die Qualität der Ton-Ausgabe über Lautsprecher ist einem High-End-Smartphone unangemessen, auch wenn andere Hersteller es auch nicht viel besser hinbekommen. Der Sound über das beiliegende Headset ist dagegen exzellent. Sucht man ein Smartphone zum Musikhören über Kopfhörer, dann ist das HTC 10 eindeutig die erste Wahl. Gegen das Samsung Galaxy S7 kommt es in allen anderen Bereichen nicht heran.