Es sieht aus wie ein iPhone 8 und verhält sich auch fast genauso – und eigentlich gibt nur drei Gründe dafür, sich ein iPhone SE 2020 zu kaufen: der A13 Bionic, der Formfaktor und der Preis. Keiner der drei Gründe kann aber wirklich überzeugen.
Sind wir mal ehrlich – die Leute, die ihr mobiles Ökosystem wechseln, kann man an einer Hand abzählen. Wer seit Jahren im Apple-Kosmos unterwegs ist, will da im Normalfall auch bleiben. Stichwort Lock-In-Effekt. Hier kennt man sich aus und hat häufig auch schon Geld in Apps investiert – das Gleiche gilt natürlich für Android. Genau darum werde ich in diesem Review auf Vergleiche zu Android verzichten. Das Argument funktioniert nicht in der realen Welt und erst recht nicht in einem Review.
Wer also aktuell mit einem iPhone 7 oder älter unterwegs ist und demnächst ein neues Smartphone braucht, steht bei Apple vor der folgenden Wahl:
- neues Design (iPhone Xr, 11 oder 11 Pro) inklusive FaceID und fast randlosem Display
- iPhone SE 2020
Sowohl beim Design als auch bei der Displaygröße gibt es große Unterschiede, aber auch die Kameras liefern eine sehr unterschiedliche Qualität ab. Bis auf das iPhone Xr teilen sich alle genannten Smartphones den gleichen Prozessor und alle werden wohl auch die nächsten vier Jahre alle großen Software-Updates erhalten. Von der reinen Performance gibt es also keinen großen Unterschied – wohl aber beim Preis. Mehr dazu im Fazit.
Design und Verarbeitung – der alte zeitlose Klassiker
Wie schon erwähnt, setzt das iPhone SE 2020 auf das Design des iPhone 8. Das geht so weit, dass Hüllen für das iPhone 8 auch perfekt für das neue SE verwendet werden können. Mit dem bewährten Design kommen gewisse Vorteile. Es liegt gut in der Hand, die Verarbeitung ist tadellos und das Rot der Product-Red-Linie sieht fantastisch aus – alternativ gibt es noch Weiß und Schwarz.
Auch andere Aspekte entstammen direkt vom iPhone 8 – kein Klinkenanschluss, Lighning-Port, Alert-Slider links, Powerbutton rechts, Homebutton unter dem Display. Gerade letzteres ist in einer Welt voller Masken wesentlich nützlicher als FaceID.
Aber das Design bringt auch Probleme mit sich. Im Jahr 2020 sehen die Ränder ober- und unterhalb des Displays nicht mehr zeitgemäß aus. Sie erlauben zwar eine bessere Einhand-Bedienung, aber es fühlt sich gleichzeitig an, als ob das iPhone SE „Platz verschwendet“.
Das iPhone SE ist derzeit das kleinste Gerät von Apple*, aber verglichen mit dem iPhone Xs oder 11 Pro ist der Unterschied angesichts der Ränder minimal.
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Das kleine/große Display
Das iPhone SE 2020 setzt auf ein flaches 4,7-Zoll-Display. Es fällt schwer, zu glauben, dass das mal als „groß“ gewertet wurde. Es handelt sich zwar um ein sehr gutes IPS-Panel, denn besonders die Kontraste sind hervorragend und die Blickwinkel groß und sehr stabil. Beides wird aber von den OLED-Panels der Geschwister in den Schatten gestellt.
Bildwiederholraten von mehr als 60Hz dürfen Kunden in der Low-Budget-Klasse von Apple nicht erwarten, genauso wenig wie eine überragende Displayhelligkeit. Für die meisten Situationen wird das Display hell genug, aber die Xer und 11er-Serie bieten da deutlich mehr.
Performance für die kommenden Jahre
Der A13 Bionic SoC gehört zu den stärksten Chips am Markt. Er bietet soviel Leistung, dass Apple den Nachfolger sogar ab Ende 2020 in seine Computer packen wird. Entsprechend langweilt sich der Prozessor auch bei den meisten Alltagsaufgaben. Surfen, YouTube, Facebook, Twitter, Spotify und alles wieder von vorne – kein Problem.
Der SoC im iPhone SE 2020 ist aber gleichzeitig der Grund, warum irgendjemand dieses Smartphone überhaupt kaufen sollte. Dank des Chips wird das SE auch noch in drei Jahren flüssig funktionieren, mit der aktuellsten Version von iOS unterwegs sein und immer noch bequem in die Hosentasche passen. Da muss es auch die meiste Zeit bleiben, wenn man über den Tag kommen möchte.
Der Akku ist viel zu klein
Während ich beim iPhone 11 (Test) die Akkulaufzeit noch sehr gelobt habe, enttäuscht das iPhone SE in dieser Disziplin dagegen sehr. Sie reicht in meinem Fall nicht für einen Tag bei normaler Nutzung. Screen-On-Time von etwa 4-5 Stunden sind das Maximum. Entsprechend ist der Akku des iPhone SE gegen 18:00 Uhr am Abend häufig fast leer. Das ist dem 1821-mAh-Akku geschuldet und dem effizienten, aber eben auch performanten A13 Bionic. Beides zusammen sorgt dafür, dass ich des Öfteren einmal am Tag zwischenladen musste.
Das geht via drahtlosem Laden mit maximal 7,5 Watt oder mit dem mitgelieferten Netzteil mit 5 W. Beides kein Problem, wenn man eine ganze Nacht Zeit hat. Wenn es aber nur 30 Minuten bis zum nächsten Meeting sind, dann sind diese Ladeleistungen zu gering. Außerdem ist davon auszugehen, dass die Batterie in zwei bis drei Jahren naturgemäß schwächer sein und sich die Akkulaufzeit noch weiter verkürzen wird.
Wer sein Smartphone nicht intensiv nutzt, hat sicherlich weniger Probleme damit, über den Tag zu kommen. Aber schon 30 Minuten morgens in der U-Bahn, ein paar Minuten hier und da während der Arbeit und dann wieder 30 Minuten zurück nach Hause sorgen dafür, dass um 20 Uhr nur noch 12% Akku übrig sind. Entsprechend ist das iPhone SE kein Gerät für zwei Tage, was beim Xr oder 11er der Fall ist.
Kamera: Gut bei Tageslicht
Wie alle iPhones überzeugt auch das neue SE mit einer sehr guten Video-Performance. Hier hat Apple einfach die Nase vorne und übertrifft die meisten anderen Smartphones bei weitem. Bei Fotos muss sich das iPhone SE bei guten Lichtverhältnissen auch nicht verstecken. Farben wirken natürlich und Details sind gut zu erkennen.
Ohne Tageslicht rauschen die Bilder aber sehr schnell. So werden beim Bild in einem schummrig beleuchteten Aufzug sehr schnell die unsauberen Übergänge und wenigen Details deutlich.
Die Kamerasoftware aller iPhones der 11er-Serie legt bei schlechten Lichtverhältnissen mehrere Bilder übereinander und erzeugt so ein besseres Bild. Dieses Feature nennt sich Deep Fusion und hat es nicht ins iPhone SE geschafft, obwohl der A13 Bionic ohne Probleme die Berechnungen dafür stemmen könnte.
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Guter Stereo-Sound
Das iPhone SE verfügt über Stereo-Lautsprecher. Zusammen erzeugen sie einen guten und ausgewogenen Klang. Die Speaker verzerren weder bei voller Lautstärke noch treten Vibrationen auf der Rückseite des Gerätes auf. Natürlich funktioniert auch das iPhone SE tadellos mit den AirPods.
Für kurze Videos und Podcasts morgens im Bad ist der Sound mehr als Ausreichend. Hier gibt es keinen großen Unterschied zu den teureren iPhone-Modelle – abgesehen davon, dass diese noch etwas lauter werden.
Fazit: iPhone SE 2020
Die drei wichtigsten Argumente für den Kauf des iPhone SE 2020 sind der starke Chip, der kleine Formfaktor und der Preis. Alle drei Punkte kommen jedoch ins Straucheln, wenn man sie genauer unter die Lupe nimmt.
Der SoC ist ohne Frage leistungsstark und wird dem iPhone SE noch über Jahre hinweg den für viele Nutzer wichtigen Software-Support garantieren. Durch den kleinen Akku reicht die Performance aber kaum für einen normalen Tag, weshalb man am Abend besser keine weiteren Pläne mehr hat. Die lange Ladedauer kann dieses Manko leider nicht ausgleichen.
Der Formfaktor mag seine Vorteile haben, aber viel Platz wird durch die breiten Ränder quasi nicht genutzt. Ein älteres iPhone Xs bietet fast ähnlichen Maße, nutzt den Platz aber wesentlich effizienter.
Aber: Wer auf der Suche nach einem neuen iPhone ist und sich ein Budget von 500,- € gesetzt hat, macht mit dem iPhone SE 2020 nichts falsch. Wer etwas mehr investieren kann, sollte jedoch das iPhone Xr oder Xs in Betracht ziehen – notfalls als B-Ware. Die werden zwar wahrscheinlich ein Jahr weniger Software-Support bekommen, aber zumindest ist die Zeit bis dahin nicht von der Frage geprägt, wo die nächste Steckdose ist.
Letztendlich ist das iPhone SE ein gut verarbeitetes Smartphone mit viel Leistung, das sich perfekt in das Apple-Ökosystem einfügt. Gleichzeitig ist es aber auch kein No-Brainer und sollte nur von den Leuten gekauft werden, die genau in das Nutzerszenario passen. Besonders Leute, die gerne mal in den Apple-Kosmos reinschnuppern wollen, sollten das iPhone SE meiden. Es vermittelt einfach einen falschen Eindruck von dem, was innerhalb des „walled gardens“ eigentlich möglich ist und wofür viele Nutzer Apple sehr schätzen.