Apple hat mit der Vorstellung seiner Airpods für ordentlich Aufsehen gesorgt. Dabei sind komplett kabellose Kopfhörer gar nicht unbedingt neu. Von Bragi gibt es bereits ‚The Dash‘, Samsung hat die Gear IconX im Angebot und Motorola hatte schon vor einer Weile den Moto Hint+ als Mono-Headset vorgestellt. Dass man das auch in Stereo kann möchte man jetzt mit den VerveOnes zeigen, die zur IFA 2016 vorgestellt wurden. Das musste ich mir natürlich mal anschauen.
Vorweg: Die VerveOnes sind in Deutschland zwar unter dem Label Motorola erhältlich, entwickelt werden sie allerdings von Binatone, einem Hersteller der häufig Geräte unter Lizenz vertreibt – in diesem Fall eben als Motorola. Neben den VerveOnes gibt es noch die VerveOnes+, die auf den ersten Blick baugleich sind. Vorteil der VerveOnes+ ist allerdings dass das Modell nach IP57 gegen Feuchtigkeit und Staub geschützt ist. Für Sportler dürfte daher das Plus Modell interessanter sein.
Die VerveOnes kommen mit einem eigenen Ladeetui, das gleichzeitig auch als Powerbank für unterwegs fungiert. Dazu gibt es noch die Standards wie ein USB-Kabel und ein Satz Eartips zur Anpassung an die Ohren. Interessantestes Feature der VerveOnes ist für mich die PassThrough Funktion, die es ermöglichen soll, dass Umgebungsgeräusche durchgelassen werden – im Straßenverkehr für mich sehr wichtig.
Die Verarbeitung ist im Großen und Ganzen gut, wobei die Ladeschale durch das verwendete Material etwas billig wirkt. Gemessen am Preis hätte ich hier etwas Hochwertigeres erwartet. Es braucht auch etwas Übung die Kopfhörer auf Anhieb aus der Ladeschalte zu nehmen – hier und da verkanten sie nämlich auch gerne mal in der Schale. Die Materialien der Kopfhörer selbst sind gut, die Ohrstücke sind mit Silikon überzogen sodass sie sich im Ohr angenehm anfühlen. Sie saßen in meinem Test auch direkt sehr gut im Ohr, ohne dass ich das Gefühl hatte ich würde sie bei einer Bewegung verlieren. Einerseits hält die Form des Kopfhörers selbst gut in der Ohrmuschel, andererseits halten auch die Eartips zusätzlich im Gehörgang. Dass keinerlei Kabel mehr daran hängen macht es noch etwas angenehmer.
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Übrigens gibt es keinen Ein/Aus-Schalter, sondern die VerveOnes schalten sich automatisch beim Herausnehmen aus der Ladeschalte ein und beim Einlegen wieder aus. Der erste Koppelvorgang dauerte insgesamt auch etwas länger als bei den anderen Kandidaten, da sich zuerst der linke Kopfhörer mit dem Smartphone und dann der rechte Hörer mit dem linken verbindet. Beides passiert auch erst, wenn die Kopfhörer im Ohr eingelegt werden, sofern die Ohrerkennung aktiviert ist.
Die Pass-Through-Funktion funktioniert gut, ist aber sehr ungewohnt. Die Musik darf nur leise laufen, da man sonst nichts mehr hört. Dazu kommt ein permanentes Rauschen während der Modus aktiviert ist. Offenbar schalten die VerveOnes einfach die verbauten Mikrofone hinzu und übertragen den Ton dann ins Ohr. Das macht sich auch in einer minimalen Verzögerung bemerkbar. Als Jogger sicher ausreichend, im direkten Konkurrenzkampf mit Autos auf der Straße – und nichts Anderes ist es meistens mit dem Fahrrad – würde ich mich allerdings nicht darauf verlassen, alles hören zu können. Unpraktisch auch, dass man den Modus zwischen Speakthrough und abschirmend ausschließlich in der Ladeschale ändern kann.
Natürlich gibt es auch eine App. Die hubble Connect App ist die Universal-App für Motorolas Verve Kopfhörermodelle, in der sich diverse Einstellungen wie der Equalizer und TalkThrough vornehmen lassen, aber man auch die letzte bekannte Position der Kopfhörer sieht und Firmware-Updates durchführen kann. Die Besonderheit bei den VerveOnes im Zusammenspiel mit der App ist, dass die Kopfhörer nicht direkt mit der App und Smartphone gekoppelt werden, sondern sich die App mit der Ladeschale und den darin befindlichen Kopfhörer verbindet. Dadurch ist es nur möglich die Einstellungen vorzunehmen, solange die Kopfhörer in der Ladeschale liegen. Die Verbindung zwischen App und Ladeschale braucht zudem meist mehrere Anläufe, oft muss man Bluetooth deaktivieren und aktivieren damit eine Verbindung zustande kommt. Nimmt man den linken Hörer heraus, bricht die Verbindung ab und die Kopfhörer koppeln sich direkt mit dem Smartphone.
Die Bedienung ist durch diese Einschränkung nicht optimal. Über die Kopfhörer selbst lässt sich lediglich Play/Pause auslösen oder ein Gespräch annehmen. Theoretisch ist es auch möglich, durch längeres Drücken einer der beiden Tasten in den Kopfhörern das Klangprofil zu verändern, doch so richtig funktioniert es noch nicht und letztlich macht das auch einfach keinen Spaß. Generell ist die Bedienung eher rudimentär – auch mechanisch. Beim Linken Ohrhörer meines Samples höre ich bei jedem Druck auf die Taste ein metallisches klicken einer Feder oder ähnlichem. Da es direkt im Ohr sitzt, ist es nicht unbedingt angenehm. Da selbst die Lautstärke aber nicht über die Kopfhörer gesteuert werden kann, zieht man am Ende eh für jede Einstellung das Smartphone aus der Tasche. Für mehr als auf die Schnelle die Musik zu pausieren taugen die Bedienelemente nicht viel.
Womit wir beim Klang wären. Der ist klar, Bass hat ordentlich Druck und auch die Mitten gehen nicht unter wie bei manch anderem Kopfhörer. Mittels Equalizer oder über die App lassen sich außerdem mehrere Klangprofile einstellen, worauf die Kopfhörer auch gut reagieren. Die Höhen sind außerdem angenehm klar, Musikhören macht so bei nahezu jeder Art Musik Spaß. Die Bühne ist allerdings relativ klein und klanglich wirkt alles ein wenig eng, gepresst. Audiophile werden also keine Freudensprünge machen, aber für unterwegs oder beim Sport ist der Klang mehr als gut genug.
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Allerdings gibt es noch einen Punkt, der der größte Schwachpunkt der VerveOnes ist: Die Synchronisation zwischen den Kopfhörern. Es kommt relativ häufig zu kleineren Aussetzern der Verbindung, sodass die Musik plötzlich nur noch in Mono läuft. Es dauert nur einen kurzen Moment, bis sie sich wieder gefangen haben, stören tut es dennoch. Dazu kommt, dass die VerveOnes sehr schnell in eine Art Standby wechseln. Sobald kein Ton kommt, schalten die Kopfhörer ab und erst wieder ein, sobald Ton übertragen wird. Lücken zwischen einzelnen Songs können dadurch auch schon zu Aussetzern führen, wenn die verwendete App kein Gapless Playback unterstützt.
Die genannten Probleme sollten allerdings per Firmware-Updates behoben werden können, hier sollte Motorola also noch nachlegen können. Zum Zeitpunkt des Tests war allerdings noch kein Update verfügbar.
Genauso wichtig wie der Ton ist die Akkulaufzeit. Laut Motorola liegt sie bei rund drei bis vier Stunden. In der Praxis konnte ich rund drei Stunden erreichen, allerdings wurde lediglich Musik gehört, nicht telefoniert. Das ist nicht besonders viel, gemessen an der Größe der Kopfhörer aber absolut in Ordnung. Zum Vergleich: Samsungs Gear IconX liegen bei gerade mal einer bis eineinhalb Stunden. Da im Lade-Case auch eine Powerbank integriert ist, können die Kopfhörer unterwegs problemlos bis zu dreimal wieder aufgeladen werden. Allerdings kann man in dieser Zeit natürlich keine Musik hören. Man könnte nun meinen: Immerhin kann ich so ununterbrochen in mono hören, doch das funktioniert nicht. Der linke Hörer muss mindestens genutzt werden, ansonsten bleiben beide aus.
Fazit
Man merkt noch recht stark die Probleme einer ersten Generation. Auch Samsung und Bragi haben mit ähnlichen Problemen zu kämpfen, es ist also nicht nur Motorolas „Schuld“. Komplett kabellose Kopfhörer sind einfach noch komplett neu und bringen entsprechende Kinderkrankheiten mit. Sei es die etwas sensible Synchronisation zwischen den Kopfhörern oder der Umstand, dass es des Ladecase bedarf um Einstellungen vorzunehmen.
Per Firmware kann hier noch einiges verbessert werden, lediglich das Problem mit der Steuerung und den aus den mechanischen Tasten resultierenden Geräuschen im Ort kann dadurch wohl nicht behoben werden.
Early Adopter, die Kinderkrankheiten nicht zurückschrecken dürften trotzdem Ihre Freude haben. Die Audioqualität ist sehr gut, die Akkulaufzeit gemessen an der Größe gut und der Tragekomfort ansprechend.
Wer aber perfekte Kopfhörer ganz ohne Kabel erwartet sollte eher noch ein wenig warten – denn auch die Konkurrenten sind bislang nicht besser.