Im Bereich Smart Home macht jeder Hersteller sein eigenes Ding und kaum einer arbeitet mit anderen zusammen. Das soll der Standard Matter ändern.
Das Smart Home sollte der nächste große Schritt in den eigenen vier Wände werden. Es sollte Dinge einfacher, intelligenter und intuitiver machen. Wenn ich aber ehrlich bin, ist es bisher eher ein Rohrkrepierer. Jeder Hersteller hat einfach nur sein eigenes System geschaffen, dass auch nur mit den eigenen Produkten zusammenarbeitet.
Es gibt Ausnahmen, aber das ganze Thema ist unglaublich unübersichtlich. Das schreckt viele schon vorher ab, weil sie gar nicht wissen, welcher Hersteller mit welchem anderen Hersteller zusammen funktioniert und kein Anbieter wirklich alle Bereiche im Smart Home abdeckt. Häufig spezialisieren sich Hersteller von Smart Home auf bestimmte Kategorien. Tado ist beispielsweise ganz groß bei smarten Heizkörpern (und unnötigen Abos), bietet aber beispielsweise nichts im Bereich „Licht“ an. All diese Insellösungen haben dafür gesorgt, dass wir seit Jahren hören, dass Smart Home das nächste große Ding wird und trotzdem außer ein paar Plugs und Lampen nichts passiert.
Was der ganze Bereich Smart Home wirklich braucht, ist ein universeller Standard. Eine einheitliche Sprache, die alle Hersteller verwenden können. Ein wenig wie damals mit USB. Vor USB gab es Seriell, Parallel, LPT, PS/2, FireWire usw. Jeder Port war oft nur für eine Sache gut und ihr brauchte eine Menge davon an eurem PC, wenn ihr verschieden Hardware verwendet habt. Dann kam USB und hat mit der Zeit alle diese Ports überflüssig gemacht. Dafür mussten aber sich aber alle Hersteller von Druckern, Mäusen, Tastaturen, Gamepads. Headsets usw. dafür entscheiden. Was damals USB für Zubehör wurde, soll Matter für Smart Home werden.
Was ist Matter?
Matter ist ein Open Source Konnektivitäts-Standard. Es ist die Sprache, mit der eure Smart Home Geräte miteinander kommunizieren, ohne dass eine Cloud-Verbindung nötig ist. Das besondere an Matter ist, dass es von über 200 Unternehmen entwickelt wurde. Diese Unternehmen haben alle erkannt, dass ein gemeinsamer Standard nötig ist, um Smart Home endlich zu dem zu machen, was uns seit Jahren versprochen wird. Zu diesen Unternehmen gehören ein paar der größten Namen im Bereich Smart Home und Tech allgemein:
- Apple
- Amazon
- Google / Nest
- Samsung
- IKEA
- OPPO
- Huawei
- Wyze
- iRobot
- Signify (Philips Hue)
- und mehr
Das Ziel von Matter ist es, dass ihr ein beliebiges Matter-Smart-Home-Gerät kauft, es in der App eures bevorzugten Smart Home-Anbieters einbindet und dann mit eurem Sprach-Assistenten steuert. Samsung Smart Things Lampe via INNR-App eingebunden und via Siri am HomePod gesteuert. Das mag nach einem fernen Traum klingen, ist aber genau das, was Matter möglich machen soll. Dabei ersetzt Matter keine Standards wie Bluetooth oder WiFi, sondern ist eine parallele/bevorzugte Möglichkeit, Smart Home Geräte miteinander zu verbinden. Wie sich Geräte genau verbinden, entscheiden die Anbieter der Smart Home Geräten.
Das Unternehmen Eve Smart Home hat sich beispielsweise für eine Apple HomeKit-exklusive Lösung entschieden. Dadurch ersparen sich Nutzer*innen nervige Accounts und haben eine sehr hohe Sicherheit, was ihre Daten angeht. Gleichzeitig hat sich Eve damit aber auch einen sehr großen Kundenkreis nicht erschlossen – die Menschen ohne iOS-Gerät. Dank Matter wird das in naher Zukunft kein Problem mehr sein, da die sehr guten Produkte eben auch über andere Apps eingebunden werden können und auch über Alexa und Google Assistant gesteuert werden können. Ähnliche Szenarien können auch für andere Hersteller möglich werden.
Wirklich wichtig ist Matters Verpflichtung zur Privatsphäre seiner Nutzer*innen. Ein Smart Home mit Matter kann komplett offline betrieben werden. Fällt das Internet aus, ist euer Smart Home trotzdem noch da. Das konnte bisher nur das Smart Home von AVM, das auf den DECT-Standard setzt und dafür auf einige Funktionen verzichtet. Für Software-Updates oder eine Steuerung von außerhalb ist eine Internet-Verbindung natürlich weiterhin nötig, aber nicht zur normalen Nutzung. Statt irgendwelche klobigen Boxen (Bridges) an euren Router zu klemmen, funktioniert bei Matter die Kommunikation direkt über kleine Hub-Punkte. Das sind keine speziellen Geräte, sondern Dinge wie beispielsweise eure smarten Lautsprecher.
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Was ist Thread?
Matter nutzt verschieden Standards für die Kommunikation zwischen euren Smart Home-Geräten. Dazu gehören Ethernet, Wi-Fi, Bluetooth und eben auch Thread. Ähnlich wie die „alten“ Standards Z-Wave und Zigbee ist Thread ein Low-Power-Mesh-Netzwerkprotokoll. Alternativ gab und gibt es natürlich noch Bluetooth und WiFi. Thread nimmt sich quasi die Stärken der alten Systeme, ohne auch deren Schwächen anzunehmen.
WiFi hat beispielsweise einen sehr hohen Energiebedarf, was bei Geräten mit Batterien ein großer Nachteil ist. Bluetooth hat derweil nur eine sehr begrenzte Reichweite. Z-Wave und Zigbee benötigen eigene Hubs an eurem Router, um zu funktionieren und aus meiner Erfahrung heraus kann ich auch sagen, dass es nervt diese einzurichten.
Thread ist quasi Zigbee ohne dessen nervigen Hub am Router. Da es ein eigenes Netzwerk ist, belasten die Daten auch nicht euer WiFi. Thread hat außerdem den großen Vorteil der Geschwindigkeit. Löst ihr beispielsweise einen Bewegungsmelder aus, schaltet dieser eine digital verbundene Lampe blitzschnell ein – statt der üblichen Gedenk-Sekunde, die sich die anderen Standards nehmen.
Das entscheidende Argument für Thread ist aber seine Repeaterfähigkeit. Jedes Smart Home Gerät mit einer dauerhaften Stromverbindung, trägt zum Mesh-Netzwerk bei. Also jeder Smart Speaker, Kühlschrank, WiFi-Repeater und sogar Lichtpanele können dann als sogenannter „Thread Border Router“ fungieren. Statt einer hässlichen weißen Box kann das dann eben auch ein Nanoleaf Light Panels sein.
Welche Grenzen wird ein Matter Smart Home haben?
Für ein Smart Home mit Matter braucht ihr immer noch einen WiFi-Zugangspunkt. Das kann euer Smartphone oder Tablet sein oder auch ein Thread-Border-Router, wie ein Amazon Echo Lautsprecher, HomePod Mini oder ein Google Nest Hub.
Eure Matter-zertifizierten Smart Home-Geräte werden zwar auch auf anderen Plattformen funktionieren, aber bestimmte Automatisierungen und Routinen werden dies wahrscheinlich nicht tun. Ich sehe einfach nicht, dass ein Konzern wie Apple wirklich viele Ressourcen darauf verwenden wird, dass eine bestimmte INNR-Lampe bei ihnen funktioniert.
Ihr könnt also in Zukunft jeden Fensterkontakt und Lichtsensor mit einem Matter-Logo auf der Verpackung in euer System integrieren, aber ihr werdet nicht 100% der Funktionen nutzen können. Matter ist kein Allheilmittel für Smart Home, aber es schafft eine gemeinsame Schicht für alle Geräte.
Werden Matter und Thread doch noch Smart Home retten?
Wahrscheinlich – also vielleicht. Im Moment ist Matter immer noch nicht in der freien Wildbahn erhältlich. Es wurde dazu bereits mehrfach verschoben. Die letzte Info dazu ist, dass das Entwickler-Software-Kit (SDK) Ende Juni 2022 bei den Matter-Mitgliedern eintreffen soll. Die können dann ihre Geräte mit der neuen Software testen und anschließend zur Zertifizierung einreichen. Mit den ersten Matter Smart Home Geräten-können wir wohl frühestens Ende 2022 rechnen.
Matter wird aber Smart Home nicht auf einen Schlag in das futuristische System verwandeln, auf das wir alle warten. Smart Home steht in sehr vielen Punkten auch nach Jahren noch ganz am Anfang. Statt eine Taste zu drücken oder einen Thermostat zu drehen, sagen wir unserem Sprach-Assistenten, dass er es machen soll. Das ist nicht smart – das ist eine Verlagerung der Eingabemethode.
Bisher habe ich genau ein System erlebt, dass wirklich die Bezeichnung „Smart“ verdient hat und das war Tado. Nachdem ich alles einmal eingerichtet habe, hat die Heizung sich immer dann ausgeschaltet, wenn ich meine Gegend verlassen habe und wieder eingeschaltet, wenn ich wieder im Kiez war. War ich an dem Tag länger im Büro, wurde nicht geheizt. Hab ich etwas früher Schluss gemacht, war die Wohnung trotzdem warm, wenn ich die Tür geöffnet habe. Leider packt Tado diese Funktion inzwischen in ein Abo und ich bezahle keine Abos, wenn die eigentliche Hardware bereits einen sehr gehobenen Preis hat.
Die Standards Matter und Thread sorgen dafür, dass diese Insellösungen beim Smart Home zumindest weniger werden. Dann müssen Hersteller wirkliche Innovationen liefern, um Kunden zu überzeugen, statt sie einfach nur in ihrem System einzusperren. Das ist einer der Gründe, warum Smart Home heute noch so viel kann, wie vor 3 Jahren. Genau darum sind Matter und Thread für euch so wichtig und genau darum solltet ihr keine Smart Home-Produkte mehr kaufen, die nicht mit diesem Standard versehen sind. Sonst rufen wir in fünf Jahren immer noch in Richtung eines Smartspeakers, dass er das Licht im Flur ausmachen soll, statt dass das System erkennt, dass alle Personen im Wohnzimmer sind und es automatisch tut.