Als der erste Raspberry Pi vorgestellt wurde, konnte man die Linux-Community förmlich jubeln hören. Ein Mini-PC, gerade mal so groß wie eine Kreditkarte, der aber über alle wichtigen Features verfügt, um eine Vielzahl von Aufgaben zu übernehmen, und das ganze für nur wenige Euro. Unter Bastlern ist die Beliebtheit seitdem ungebrochen, manche nutzen sogar 5, 10 oder noch mehr Raspberry Pis gleichzeitig.
Wer allerdings mit Linux Entwicklung und ähnlichem nix anfangen kann, macht in der Regel einen Bogen um den Micro-PC. Dabei eignete sich schon die erste Generation auch sehr gut als kleiner günstiger Multimedia-Player, der allerdings auch ein paar Schwächen hatte. Der kürzlich veröffentlichte Raspberry Pi 2 bietet jetzt ein Vielfaches an Leistung und sollte sich daher noch besser als Multimedia-Zentrale eignen, oder?
Ich hab mir dazu kurzerhand einen Raspberry Pi 2 samt Gehäuse geschnappt und wollte mal probieren, was man so damit anstellen kann, auch ohne sich mit Linux auszukennen.
Aber fangen wir mal bei den technischen Daten des Pi 2 an:
- Prozessor: Broadcom BCM2836 (ARM Cortex-A7), 4x 900MHz
- Grafikchip: Broadcom VideoCore IV
- Arbeitsspeicher: 1GB Ram
- Laufwerke / Kartenleser: SD-Karten-Steckplatz
- Netzwerk: 10/100 Ethernet-Buchse
- Anschlüsse: HDMI, Audio-Out, 4 x USB 2.0
- Größe: 85,6 x 53,98 x 17 mm
Es hat sich einiges getan, besonders der stärkere Prozessor macht sich bemerkbar.
Anspruch
Ich wollte einen Mediaplayer. Einen der alles kann, am besten lokal, aus dem Netzwerk und natürlich via Online-Portal gestreamt. Natürlich auch günstig, schnell eingerichtet und einfach zu bedienen, also die berühmte eierlegende Wollmilchsau. Ob das klappt?
Einrichtung
Hier schon mal die erste kleinere Hürde: Bis auf den Pi 2 selbst ist nichts im Karton. Also eine Micro-SD-Karte (min. 2GB), ein Gehäuse und ein USB-Netzteil mit mindestens 1A und 5V sollte man am besten direkt mit dazu bestellen sofern nicht vorhanden. Auch ein HDMI-Kabel braucht ihr natürlich. Das treibt den Preis schon wieder etwas nach oben, ist aber immer noch vertretbar. Danach muss man sich für eine der vielen Kodi/XBMC Distributionen entscheiden. Bei mir fiel die Wahl auf Empfehlung eines Bekannten auf Xbian. Xbian ist eine bereits fertig eingerichtete Distribution, die primär das Media-Center beinhaltet, in diesem Fall Kodi.
Kommen wir zur eigentlichen Einrichtung. Benötigt wird nur ein PC oder Notebook mit Micro-SD-Slot bzw. ein entsprechender (USB-) Adapter. Ob auf dem PC Windows, Linux oder Mac OS läuft ist egal. Um nun Xbian zu installieren ladet ihr einfach den Installer herunter und entpackt die Datei. Legt dann die Micro-SD-Karte in den Micro-SD-Slot eures Notebooks oder PCs ein, startet den Installer und wählt die Xbian Version sowie das Ziel aus. In der Regel ist hier schon alles richtig voreingestellt, achtet nur unbedingt genau darauf, dass das Ziel korrekt mit eurer SD-Karte angegeben ist. Jetzt nur noch bestätigen, der Installer übernimmt den Rest.
Danach nehmt ihr die Micro-SD-Karte und steckt sie in euren Raspberry Pi 2, steckt den Pi an einen Monitor oder TV an und schließt anschließend den Strom an. Der Pi 2 startet automatisch sobald das Stromkabel angeschlossen ist. Nach dem ersten Start führt euch Kodi durch die ersten Schritte der Einrichtung. Ein Netzwerkkabel ist nicht zwingend erforderlich, für Netzwerk- oder Online-Streaming aber natürlich von Vorteil ;). Alternativ kann auch ein WLAN-Stick genutzt werden.
Bedienung
Wer den Raspberry Pi 2 direkt am TV anschließt, hat einen großen Vorteil: Sofern der Fernseher HDMI-CEC unterstützt, kann der Pi 2 komplett über die Fernbedienung des Fernsehers gesteuert werden. Ansonsten wird mindestens eine Tastatur benötigt. Insgesamt ist die Bedienung einfach und vor allem auch intuitiv. Alles ist da, wo ich es erwarten würde, sodass es einfach von der Hand geht. Das Einstellungen-Menu benötigt man nur selten, wenn überhaupt.
Alternativ lässt sich Kodi auch per Smartphone und der Kodi Remote App steuern. Ich greife zwar aus Gewohnheit eher zur Fernbedienung des Fernsehers, aber die Steuerung per Smartphone funktioniert ebenso einfach – man muss nur darauf achten dass sich Smartphone und Raspberry Pi 2 im gleichen Netzwerk befinden.
Angesteckte USB-Sticks oder auch Netzwerkspeicher erkannte Xbian problemlos automatisch, mit einer Ausnahme: Externe Festplatten die ein Y-Kabel für die Stromversorgung nutzen erkannte mein Raspberry Pi 2 nicht. Wahrscheinlich forderte die Festplatte zu viel Leistung vom USB-Port, auch wenn das zweite USB-Kabel mit einem Netzteil verbunden war. Festplatten mit einem eigenem Netzteil funktionierten dann aber problemlos.
Funktionen
Jetzt aber zum wichtigsten: Kann der Raspberry Pi 2 alles, was ich mir erhofft hatte? Fangen wir bei lokalen Medien an: Hier läuft alles bis hin zum Full-HD Video mit Mehrkanalton problemlos und flüssig. Einziger möglicher Flaschenhals: Der 100Mbit LAN-Anschluss, allerdings bin ich hier bei meinen Ansprüchen auch die Ausnahme :). Im Prinzip spielt der kleine so ziemlich alles ab. Ob nun HD-Videos im H.264 Format, einfache Xvid, mpeg4 oder mpeg2 Videos, MP3 oder FLAC Audio, usw. Für aktuelle Formate bis hin zu Full-HD Material in Blu-Ray Qualität reicht er also locker aus. 4K Videos oder der neue HEVC bzw. H.265 Codec überfordern den Raspberry Pi 2 allerdings. Der Grund ist, dass für diese Formate keine Hardware-Beschleunigung verfügbar ist, sodass der Prozessor die Berechnung übernehmen muss.
Zum Online-Streaming müssen erst die jeweiligen Dienste installiert werden. Dazu bietet Kodi direkt die jeweiligen Pakete zum Download an. Was ich hier allerdings vermisse sind Streaming-Portale wie Netflix, Sky Go, Maxdome usw. Verfügbar sind primär kostenfreie Dienste wie YouTube oder die diversen Mediatheken der TV-Sender. Die gewünschte All-in-One Lösung ist es hinsichtlich der Streaming-Plattformen also schon mal nicht. Auch nach längerer Suche konnte ich hierfür keine Lösung finden. Wer darauf verzichten kann, bekommt aber eine doch sehr potente und dabei günstige Lösung um seine Mediensammlung aus Fotos, Musik und Filmen abzuspielen und auch diverse Mediatheken zu nutzen.
https://www.youtube-nocookie.com/watch?v=xCRDTswvtJc
Fazit
Auch wenn ich anfangs etwas skeptisch war, ob eine Linux-basierte Streaminglösung das richtige für mich ist, hinterlässt das kleine Experiment einen positiven Eindruck. Zwar funktioniert nicht alles wie erhofft, aber die Einrichtung und Nutzung ist so einfach, dass es prinzipiell jeder hinbekommen sollte. Die Bild- und Tonqualität stimmt, der kleine läuft stabil ohne Probleme und verschwindet dank der geringen Größe einfach hinterm Fernseher.
In Sachen Preis-Leistung steckt der Raspberry Pi 2 auf jeden Fall alle anderen reinen Mediaplayer in die Tasche. Lediglich hinsichtlich der Zukunftsfähigkeit gibt es von mir einen leichten Punktabzug: Kein H.265/HEVC Support, kein 4K, usw. Aber das ist hinsichtlich des geringen Preises alles zu verkraften. Ein weiterer Minuspunkt ist dann noch das Fehlen von Diensten wie Netflix, hoffentlich gibt es hier bald eine Lösung.