Fast genau 20 Jahre ist es her, als Nintendo den Virtual Boy auf den Markt brachte. Die Entwicklung des Game-Boy-Erfinders sollte Spieler in virtuelle 3D-Welten abtauchen lassen. Die nahmen das seltsame System aber weder in Japan, noch in den USA an. Die Konsole verschwand schnell wieder vom Markt.
Mit dem Game Boy wurde der Entwickler Gunpei Yokoi unsterblich. Weniger bekannt ist sein vielleicht ehrgeizigstes Projekt, der Virtual Boy. Im Gegensatz zum handlichen Kassenschlager Game Boy war der Virtual Boy für den stationären Einsatz gedacht. Sein Alleinstellungsmerkmal: die 3D-Darstellung von Spielen. Das System, das mit Spielemodulen gefüttert wurde, besteht aus dem Game-Controller, einem Ständer und der Spiele-Konsole. Im Gegensatz zu den meisten Virtual-Reality-Systemen konnte man sich den Virtual Boy nicht um den Kopf schnallen oder wie eine Brille aufsetzen, sondern stellte ihn mit dem beiliegendem Stativ etwas wacklig auf den Tisch. Bequem war etwas anderes. In der kurzen Zeit, in der ich einen Virtual Boy besaß, fand ich nur eine auch für etwas längere Spiel-Sessions taugliche Position: Brille aufs Bett und auf dem Bauch liegend spielen.
Ungewöhnlich sind die beiden Displays, in denen sich je 224 rote LEDs in einer Reihe befinden. Durch einen sich mit 50 Hz bewegenden Spiegel wird das Bild auf die Netzhaut des Anwenders projiziert und erzielt eine Auflösung von 384 x 224 Pixel. Farbe gab es nicht, lediglich ein monochromes rotes Bild auf schwarzem Hintergrund. Die Entwicklung des Bildschirms geht auf Allen Becker zurück. Die Vorstellung des Vorgänger-Displays „Private Eye“ auf der COMDEX in Las Vegas 1988 erntete großen Zuspruch. Im Gegensatz zu anderen Lösungen in der Zeit war Beckers Display günstig zu produzieren und stromsparend: das Konzept der Wearables rückte in greifbarere Nähe. Als in den 90er Jahren das Thema VR aufkam, produzierte Beckers Firma den Prototypen einer VR-Brille und stellte sie verschiedenen Spielefirmen wie Sega vor. Etliche lehnten ab. Gunpei Yokoi nicht. Er verschob seinen bereits geplanten Abschied von Nintendo und entwickelte auf dieser Grundlage ein Spielesystem, das völlig anders war.
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Die Anzahl der seit 1995 veröffentlichten Spiele bleibt überschaubar: die 22 offiziell erschienen Titel dürften für ein System, das in den USA und Japan erschien, ein Negativrekord sein. Gespielt hatte ich eine Handvoll davon: Mario Tennis gehörte noch zu den besseren Titeln und vermittelte einen zufriedenstellenden räumlichen Effekt. Spielerisch war es lediglich nett. Wie bei allen anderen Virtual-Boy-Spielen, die ich kenne, fehlte es aber an Spieltiefe. Das gilt leider auch für Wario Land, das die Tiefeninformationen auch spielerisch nutzte. Das damals vielgescholtene Red Alarm wurde zurecht viel gescholten. Zwar war der 3D-Effekt des auf nackte Linien reduzierten Weltraum-Shooters ziemlich ausgeprägt, Spielfreude trat anhand der teilweise konfusen Grafik und der schlechten Steuerung nur am Anfang auf. Apropros Steuerung: Das Gamepad sah zwar futuristisch aus und besaß sogar zwei Steuerkreuze, wirkte aber wie die Konsole selbst etwas „billig“. Von der Qualität eines SNES-Pads war es weit entfernt.
Mangelnde Spieleunterstützung, mit rund 180 US-Dollar ein recht hoher Preis, der Erfolg der Playstation und das Warten auf das Nintendo N64 waren sicherlich nur einige der Gründe, warum der Virtual Boy sich nur schleppend verkaufte. Ende 1995 stoppte Nintendo den Verkauf des Virtual Boy in Japan, im nächsten Jahr in Amerika. Insgesamt 770.000 Einheiten sollen über die Ladentheke gewandert sein, für das große N damals ein miserables Ergebnis. Gunpei Yokoi entwickelte noch den erfolgreichen Game Boy Pocket und verließ 1996 Nintendo, bevor er seine eigene Firma gründete und den Game-Boy-Konkurrenten WonderSwan entwickelte, den er an Bandai verkaufte. Ein Jahr später verstarb Yokoi 56-jährig nach einem Autounfall.
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Die Fangemeinde auf Planet Virtual Boy widmet sich weiterhin der Spielekonsole und veröffentlicht beispielsweise Infos zu offiziellen Spielen und Downloads zu Homebrew-Titeln und -Demos. Wer einen Virtual Boy heute gebraucht erwerben will, muss allerdings etliche Euro in die Hand nehmen.
Quellen: Wikipedia, fastcompany.com
Bilder by Evan-Amos via Wikipedia – Own work. Licensed under Public Domain via Commons
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