Endlich sind sie da: die Consumer-High-End-Brillen für die virtuelle Realität. Nachdem man mit Smartphone-Gestellen wie der Durovis Dive, Samsung Gear VR und Google Cardboard sowie Entwickler-Versionen der Oculus Rift bereits virtuelle Morgenluft schnuppern konnte, soll es jetzt richtig zur Sache gehen. Die HTC Vive verspricht derzeit die kompletteste Simulation virtueller Welten, in denen man sich sogar bewegen kann. Wir sind ein- und abgetaucht und beschreiben im ersten Teil Voraussetzungen und Installation der VR-Brille von HTC und Valve.
Ab durch die Mitte: Voraussetzungen und Installation der HTC Vive
Die HTC Vive benötigt potente Hardware. Hierfür stand uns in der Redaktion ein NBB Raubtier Gaming-PC zur Verfügung. Ausgestattet mit einer NVIDIA GeForce GTX 970, markiert er den empfohlenen Einstieg in virtuelle Welten. Ein schneller Prozessor, in unserem Fall ein Core i7-6700 mit 3,4 GHz, sowie Windows sind ebenfalls Pflicht. Ob der eigene PC den Anforderungen entspricht, lässt sich über ein Tool aus dem Steam-Store ausprobieren. Wer sich einen neuen PC zulegen möchte, sollte eher zu Systemen mit der kürzlich vorgestellten NVIDIA GTX 1070 oder besser greifen.
Im ersten Schritt schließt man die Brille an den PC an. Ein Kabelstrang mit HDMI und USB wird dabei mit einer kleinen Box verbunden, von der man wiederum Kabel zum PC führt. Alle genannten Kabel sind im Lieferumfang enthalten, die farbliche Kennzeichnung der Buchsen und Kabel macht das Anschließen zum Kinderspiel. Alternativ lässt sich statt HDMI auch DisplayPort verwenden.
Im nächsten Schritt führt man das Installationsprogramm auf dem PC aus. Das ist ansprechend gestaltet, erfordert aber zwingend in unserem Fall ein Grafikkartentreiber-Update sowie zwei Registrierungen: bei Steam von Valve sowie bei HTC. Wozu die Registrierung bei HTC notwendig ist, wissen wir nicht.
Das Installationsprogramm führt einen durch die Bestimmung der freien Fläche im Zimmer, um die virtuelle Erfahrung durch Room Scale zu erhöhen. Die Bewegung im Raum ist eine Besonderheit der HTC Vive. Es ist auch möglich, ohne Raumerkennung zu spielen, allerdings fehlt dann viel von der einzigartigen Erfahrung. Wir konnten unseren Konferenzraum etwas entschlacken und schafften es knapp, die minimal geforderte Fläche in der Mitte freizuräumen. Für die Erkennung läuft man mit dem Controller in der Hand das Zimmer ab, die Installations-Software zeigt anschließend den Bereich an, in dem man sich während des Aufenthalts in der virtuellen Realität bewegen darf.
Die Erfassung des Spielers im Zimmer übernehmen zwei Sensormodule, die über je zwei Stativgewinde verfügen. Alternativ lassen sich die Kameras mit den beiliegenden Wandhalterungen dauerhaft an den Wänden befestigen. Dazu muss man allerdings bohren.
Die Module müssen mindestens in zwei Meter Höhe angebracht werden. Dafür nutzten wir Stative, wobei eines zu kurz war, das dann kurzerhand auf einem Tisch Platz nehmen musste. Die optimale dauerhafte Lösung zur Befestigung sind die Wandhalter, da sie am wenigsten Platz verschwenden. Eine Möglichkeit wäre noch, die Kameras auf Ministative zu schrauben und auf ein Bücherregal zu stellen. Letztlich waren in unserem Fall Montage und Ausrichtung der Sensoren in rund zwanzig Minuten erledigt. Dem Set liegt noch ein langes Kabel bei, über das man die beiden Sensor-Kameras verbinden kann. Es kommt nur bei Synchronisationsproblemen zum Einsatz, und wir benötigten es nicht.
Um die Controller zu aktivieren, genügt ein kurzer Druck auf die Power-Taste. Der Koppelungsvorgang geschieht schnell und problemlos. Ein kleines Programm zeigt an, wenn Controller und Brille aktiv sind. In Steam findet man eine Einführung für erste Schritte in die virtuelle Realität. Um in sie einzutauchen, setzt man erst die HTC Vive auf. Für den Ton sorgen beiliegende Ohrstöpsel- oder ein anderer eigener Kopfhörer, den Anschluss ermöglicht eine normale Klinkenbuchse an der Cyberbrille. Die Ohrstöpsel klingen zwar gut, letztlich wird man als VR-Reisender aber doch auf bessere Kopfhörer zurückgreifen wollen.
Nachdem man die Vive aufgesetzt hat, schnappt man sich die Controller. Es ist der erste faszinierende Effekt, denn man sieht sie an korrekter Position in der virtuellen Realität und kann sie einfach greifen. Ebenso exakt funktioniert die Erkennung des Spielers im Raum: Nähert man sich der Grenze des festgelegten Bereichs, blendet sich ein Gitter ein und zeigt damit an, bis wohin man sich bewegen darf.
Versuchs mal mit Gemütlichkeit
Das Aufsetzen der Cyberbrille klappt einfach und über Klettbänder kann man die HTC Vive gut an die eigene Kopfform anpassen. Einen Dioptrienausgleich gibt es nicht, weshalb eine Brille unter dem Gestell verschwinden muss. Wenn sie nicht zu groß ist, passt das auch, allerdings drückt die HTC Vive eventuell auf die Brille.
Das Tragegefühl ist im Allgemeinen angenehm, allerdings mit leichten Einschränkungen: Es wird sehr warm unter der Brille und ihr doch recht hohes Gewicht drückt je nach Einstellung der Kopfbänder beispielsweise auf die Nasenflügel.
Noch problematischer fanden wir aber die Sache mit dem Kabel: Wenn man sich viel bewegt, muss man aufpassen, nicht zu stolpern. Mithin kommt man nicht umhin, sich zwischendurch vom Kabel zu befreien, was einfach lästig ist und das Mittendrin-Erlebnis beeinträchtigt. Technisch wünscht man sich eine kabellose Variante – die Umsetzbarkeit dürfte allerdings schwierig werden: Für ein überzeugendes VR-Erlebnis muss der PC zu viele Daten schicken (8 Gigabits pro Sekunde), derzeitige WLAN-Lösungen stellen diese Bandbreite nicht zur Verfügung. Immerhin müssen 2160 x 1200 Pixel mit mindestens 90 Hz Bildwiederholrate bei der Brille ankommen. Eine Übergangslösung könnten Rucksack-PCs sein, wie eine fertige Lösung von Zotac zeigt.
Controller für Major Tom
Die Controller liegen gut und ergonomisch in der Hand. Mittels Handschlaufe lassen sie sich sichern, damit sie bei zu heftigen Bewegungen nicht versehentlich in den Raum fliegen. Genutzt haben wir die Handschlaufe allerdings nicht. Wichtigste Steuerelemente sind ein rundes Touchpad und ein pistolenartiger Abzug, der Trigger. Ober- und unterhalb dem Touchpad befinden sich zwei Tasten für Menüauswahl und Home (Systemtaste). Seitlich sind noch links und rechts zwei Grifftasten zu finden, die aber eher schlecht erreichbar sind und von den bisher vorhandenen Titeln selten genutzt werden. Eine dezente Vibration sorgt für willkommenes Feedback.
In der virtuellen Realität sieht man zuerst eine realistische Nachbildung der Controller, allerdings mit einem Zusatzelement, das in der Realität fehlt: Drei virtuelle LEDs zeigen den Akkustand an. Ansonsten kann sich das Abbild der Controller je nach Spiel oder Anwendung verändern, sie werden dann beispielsweise Hände, Maschinengewehr oder Pinsel. Das Greifgefühl über die Controller weicht deutlich von realen Handbewegungen ab, hier wäre ein Controller-Handschuh die bessere und natürlichere Form. Trotzdem akzeptiert man ziemlich schnell die neuen Greifer, die für die virtuelle Realität schon mal einen wesentlichen Fortschritt gegenüber normalen Game-Controllern darstellen.
Die gerasterte Wirklichkeit
In der Brille stecken zwei OLED-Display mit einer Diagonalen von 91,8 mm. Die Auflösung pro Display von 1080 x 1200 Pixeln ergibt eine Punktdichte von rund 447 ppi. Allerdings reicht die Auflösung durch die stark vergrößerte Ansicht nicht aus, um ein perfektes Bild zu erzeugen: es ist ein deutlicher Fliegengittereffekt sichtbar. Der stört mal mehr oder weniger, allerdings beeinträchtigt ein anderer Effekt die Immersion auf Dauer noch deutlicher: Der runde Schliff der Linsen kann in dunkleren virtuellen Räumen zu Lichtreflektionen führen.
Eine wichtige Kennzahl für die virtuelle Realität ist das Sichtfeld: Menschen haben horizontal ein Sichtfeld von rund 180 Grad, wobei wir Randbereiche nur unscharf wahrnehmen. Derzeitige VR-Brillen decken dieses Sichtfeld generell noch nicht ab, die HTC Vive schafft aber immerhin praxistaugliche 110 Grad.
Der Bildeindruck ist trotz der genannten Einschränkungen fantastisch: Sehr gute Kontraste und eine gute Farbwiedergabe sorgen für Freude. Schaltet man die Brille ein, glaubt man tatsächlich, in einem anderen Raum zu stehen oder an einem anderen Ort zu sein. Wie diese Orte aussehen, was man in ihnen erleben kann und wie das Fazit zur HTC Vive ausfällt, berichten wir im zweiten Teil.
Leistungsfähige Gaming-PCs findest du bei uns im Shop, beispielsweise die Raubtier-Serie.