Was zur… Das war meine erste Reaktion, als ich die Huawei FreeBuds 5 in den Händen hielt, denn optisch machen sie einiges anders als die Konkurrenz. In Tränenform sollen die Earbuds beste Geräuschunterdrückung bieten, gut klingen – und natürlich bequem sein. Ich habe sie im Alltag genutzt und kann nun sagen, ob Huaweis Design-Experiment gelungen ist.
Beim Namen Huawei denkt man schon lange nicht mehr nur an Smartphones. Gerade im Audio-Bereich hat die chinesische Tech-Firma die letzten Jahren verstärkt auf sich aufmerksam gemacht – diverse TWS, Over-Ears oder smarte Lautsprecher höchster Qualität sprechen eine deutliche Sprache. Die FreeBuds-Reihe ist im Huawei-Line-Up die Antwort auf Apple AirPods und Samsung Galaxy Buds. Sie deckt mit verschiedenen Produkten sowohl Preisbewusste als auch High-End-Fans ab. Mit den FreeBuds 5i hatten wir kürzlich die Budget-Variante im Test, nun folgt mit den FreeBuds 5 die goldene Mitte.
Neben dem hochauflösenden Bluetooth-Codec LDAC, der Audiodateien mit hoher Bitrate wiedergeben kann, sollen Klang, ANC und Ausdauer einen weiteren Schritt nach vorne machen. Im Datenblatt fällt aber erstmal auf, dass die Unterschiede in der Gegenüberstellung FreeBuds 5 vs FreeBuds 5i gar nicht so groß ausfallen.
Design & Tragekomfort
Passend zum Erscheinungstermin Ostern 2023, hält man beim ersten Auspacken ein Ei in der Hand. Das mattsilberne kleine Case gefällt durch eine passgenaue Verarbeitung und gute Handlichkeit. Aufgrund seiner Rundungen nervt es auch in engeren Hosentaschen nicht und kann durch eine abgeflachte Unterseite waagerecht abgestellt werden.
Das Scharnier wirkt solide und schnappt zufriedenstellend auf. Darunter verbergen sich die „Schlafplätze“ der wohl ungewöhnlichsten Earbuds seit langem: Die FreeBuds 5 wurden nämlich von der sogenannten Prinz Rupert’s Träne inspiriert (auch Bologneser Träne genannt). In der schönen Farbe Silver Frost erinnern sie mich an cyberpunkige Zukunftsvisionen – und sehen auch ein bisschen so aus als würde mir Quecksilber aus den Ohren laufen. Alternativ gibt es sie noch in Weiß (Ceramic White) und einem Rosa-Orange-Mix (Coral Orange). Optisch also definitiv Geschmackssache, aber immerhin auch mal etwas neues im Dschungel aus ewig gleichaussehenden In-Ear-Kopfhörern.
Wobei: Wirklich in eure Ohren werden die FreeBuds 5 nicht gesteckt – wie eben bei In-Ears – sondern eher á la klassische Ohrhörer aka Earpods eingehängt. Das hat aus technischer Sicht einige Nachteile: So kann der klangproduzierende Treiber der Kopfhörer nicht bündig mit dem Hörkanal abdichten und so auch nicht immer denselben Sound produzieren. Jedes Ohr ist schließlich anders. Huawei sorgt aber via mehrerer nach innen gerichteter Mikrofone dafür, dass der Sound in verschiedenen Ohren akkurat bleibt. Die Mikrofone überprüfen nämlich die Wiedergabe auf ihre Genauigkeit und passen sie entsprechend an.
Ebenfalls akkurat bleiben muss der Sitz im Ohr. Gerade, wenn ihr viel Sport treiben möchtet ist es wichtig, dass eure Earbuds bei ruckartigen Kopfbewegungen nicht zu Wurfgeschossen werden. Und im Ernst gesagt: Ich war super skeptisch, denn stabil wirken die FreeBuds 5 im Ohr nicht. Doch selbst beim Sprinten, Boxsacktraining oder anderweitigen bewegungsintensiven Sportarten fielen sie nur selten heraus.
Insgesamt empfinde ich den Sitz – in meinen Ohren – dennoch nicht als optimal. Denn das ständige Gefühl, die Kopfhörer zu verlieren bleibt. Für einen besseren Halt hat Huawei auch drei Silikonüberzüge beigelegt. Diese brachten mir persönlich aber nichts. Wer aber partout keine In-Ears möchte, entweder aus ästhetischen Gründen oder weil man deren Sitz im Hörkanal als unangenehm empfindet, für den dürften die FreeBuds 5 genau richtig sein.
Mit ihrer IP54-Zertifizierung (Wasser- und Staubschutz) sind sie dazu gut für Sport geeignet – wobei ihr den Sitz in euren Ohren eben vor dem Kauf überprüfen solltet.
Bedienung & App
Auf einem Huawei-Smartphone ist die Verbindung ein Kinderspiel: Öffnet das Case der FreeBuds und schon erscheint eine Nachricht auf eurem Display. Als Android-User ohne Huawei-Endgerät müsst ihr allerdings den Umweg über Huaweis App-Gallery gehen, um die App „AI Life“ zu bekommen. Im normalen Play Store findet man sie hingegen nicht mehr. Durch einen QR-Code auf der Verpackung kommt ihr aber immerhin direkt zum Download und müsst nicht lange suchen.
Im Gegensatz zum Standard Android sind iPhone- oder Mac-User hier sogar im Vorteil: Im Apple-eigenen App-Store bekommt ihr AI Life derzeit nämlich noch.
Die App ist dann ziemlich selbsterklärend: Neben diversen Equalizer-Voreinstellungen (Standard, Bassverstärker, Höhenverstärkung), könnt ihr hier auch den hochauflösenden Bluetooth-Codec LDAC einstellen. Dafür müsst ihr in der App „Tonqualität priorisieren“ auswählen. Außerdem könnt ihr den Sitz der Earbuds überprüfen und sie mit neuer Firmware versorgen. Ein Mehrband-Equalizer steht zudem auch bereit – und bietet so einen echten Mehrwert gegenüber den günstigeren FreeBuds 5i.
Wie bei diesen war die Gestensteuerung erneut gewöhnungsbedürftig – denn ein einzelnes Tippen führt zu: Nichts. In der App könnt ihr dann die Kommandos genau einsehen oder bei Bedarf neu vergeben.
Die wären: Zweimalig Tippen, um einen Anruf anzunehmen oder zu beenden – ansonsten steuert ihr damit die Pause/Wiedergabe von Musik. Haltet ihr während eines eingehenden Anrufs, so lehnt ihr diesen damit ab. Ein längeres Gedrückthalten auf einem der beiden Earbuds führt zu einem Durchschalten zwischen „ANC An“, „ANC aus“. Einen Awareness-Modus, bei dem die Geräusche eurer Umgebung verstärkt werden, haben die Kopfhörer wegen ihrer Durchlässigkeit bei ausgeschaltetem ANC hingegen nicht.
Wirklich gut ist hingegen das Anpassen der Lautstärke gelöst: Streicht einfach auf einem der beiden Hörer nach oben oder unten. Das klappt intuitiv und präzise. Zudem muss man für Lautstärkeänderungen nicht immer das Smartphone aus der Tasche holen. Das bieten nicht alle TWS – und es ist bei den FreeBuds 5 wirklich gut gelöst.
Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase gelingt die Bedienung der Huawei FreeBuds 5 also richtig gut. Der zusätzliche Mehrband-Equalizer ist im Vergleich zu den FreeBuds 5i gern gesehen. Nur das Fehlen eines Awareness-Modus – also dem Verstärken der Umgebungsgeräusche beim Überqueren einer Straße hat mich ehrlich gesagt überrascht.
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Mikrofon-Qualität – Die neue Referenz?
Kabellose In-Ear-Kopfhörer verbringen ein kleines Hexenwerk. Schließlich liegen zwischen unserem Mund und den Ohrhörern mehrere Zentimeter, auf denen Störgeräusche Einfluss auf die Stimme haben können. Durch Filter-Algorithmen und besonders abgestimmte Mikrofone versuchen Hersteller aber mehr aus der Aufnahme herauszuholen. Huawei wirbt bereits explizit mit drei Mikrofonen je Earbud – und die machen einen verdammt guten Job. Erstmal dachte ich gar, ich hätte noch mein Podcast-Mikrofon anschlossen.
Die Stimmaufnahme ist nämlich derart voll und warm, dass das benötigte Volumen geboten wird, um die Herkunft aus TWS-Kopfhörern überhaupt nicht zu verraten. Aber hört am Besten selbst:
Damit liegt Huawei deutlich über den eigenen FreeBuds der Vergangenheit. Und das Beste: Auch in lauten Umgebungen ist man noch sehr gut verständlich. Wer also vor allem kompakte TWS-Kopfhörer für Telefonate sucht, bekommt mit den FreeBuds 5 eine Aufnahmequalität nah an der Referenz.
Active Noise Cancelling – Verwirrend.
Aufgrund ihrer Bausweise, die eher in die Ohren gehängt als gesteckt wird, können die FreeBuds 5 Geräusche passiv kaum filtern. Dafür soll das ANC durch zwei verschiedene Modi alle zufriedenstellen, die ihre Kopfhörer in Bus und Bahn auch einfach gerne ohne Musik tragen. Schließlich bekommt man so weniger vom stressigen Großstadtlärm mit.
In „Ausgeglichen“ (laute Umgebungen) und „Gering“ (leise Umgebungen) unterschied sich bei mir vor allem das Grundrauschen. Wirklich viel gefiltert wurde – ohne Musik – nicht. Mit eingeschaltetem Sound ist besonders der mittlere Tonbereich, wie etwa Stimmen, aber gut blockbar. Das Brummen von Motoren wird auch meist gut entfernt, während die Türgeräusche von U-Bahnen auch mit eingesetzten FreeBuds 5 deutlich wahrnehmbar sind. Trotz ausgeklügelter Technik und vieler Mikrofone kann eben auch Huawei nicht gegen die Bauform ankommen. Aufgrund ihrer bereits guten passiven Isolierung sind klassische In-Ears hier einfach im Vorteil.
Etwas verwirrend war zudem der ANC-Modus „Dynamisch“: Er wechselt – je nach Geräuschkulisse zwischen den beiden anderen Modi. Zuweilen schien er aber verwirrt zu sein. Trotzdem nett, dass solch ein Feature überhaupt angeboten wird, wobei ich mir auch eine mehrstufige Einstellmöglichkeit für ANC gewünscht hätte.
…und der Sound? – Überraschend neutral mit leichtem Bass-Boost.
Ich war maximal skeptisch als ich die FreeBuds 5 zum ersten Mal in meine Ohren setzte. Ohrhörer ohne passgenaue Abdichtung sind nämlich, wie eingangs erwähnt, ein einziger Kompromiss. Aber Überraschung: Sound-seitig spielen sie erstaunlich neutral und souverän auf. Während klassische Airpods meist Probleme bei den ganz tiefen Bässen haben, kaschiert dies Huawei durch eine leichte Basserhöhung und ansonsten sehr musikalisch runde Wiedergabe.
Stimmen klingen dennoch klar und präsent und einzelne Instrumente sind im Stereobild gut zu unterscheiden. Höhen, wie Violinen oder Becken, drängen sich nicht nach vorn, rücken aber dennoch nicht zu weit in den Hintergrund. Insgesamt scheint so im Mix nichts zu kurz zu kommen – angenehm und für viele Genres geeignet. Die Abstimmung ist somit nochmal einen ganzen Tick besser als bei den bereits guten FreeBuds 5i und kann durchaus mit den Samsung Galaxy Buds oder den aktuellen AirPods mithalten. Dazu könnt ihr natürlich auch noch via Equalizer nachhelfen oder aus mehreren Presets auswählen.
Akkulaufzeit: Ausbaufähig
Huawei verspricht Laufzeiten von bis zu 30 Stunden mit Case, aber nur 5 Stunden ohne. Das ist bereits in Bereichen, die von längeren Bahnfahrten, Flügen oder Hörbüchern übertroffen werden. Somit müsstet ihr dann eine Hörpause einlegen. Und: Die genannten Werte sind alle ohne aktivierte Geräuschunterdrückung (ANC). Schaltet ihr diese ein – was unterwegs jetzt nicht gerade selten ist – dann müssen die Ohrhörer bereits nach dreieinhalb Stunden wieder geladen werden. Mit Case ergibt das so noch eine maximale Laufzeit von ca. 20 Stunden.
Einige Konkurrenzmodelle, wie etwa die Samsung Galaxy Buds 2 halten länger durch. Auch die günstigeren FreeBuds 5i sind ausdauernder. Dafür ist das Laden der tränenförmigen TWS fixer: Ausreichendes Ladegerät vorausgesetzt, ist das Case samt Kopfhörern innerhalb von ca 70 Minuten wieder mit Strom befüllt. Nach fünf Minuten an der Steckdose lässt sich sogar eine Stunde Musikhören. Kabellos – was in dieser Preisklasse nicht selbstverständlich ist – dauert die Ladung solide vier Stunden.
Fazit zu den Huawei FreeBuds 5 – Gelungener Designwechsel, der großteils auch mit inneren Werten überzeugt
Ganz ehrlich: Als ich hörte, dass Huawei von einem In-Ear-Aufbau zu einem Earpod-Design wechselt, habe ich mit dem Schlimmsten gerechnet. Weniger passive Abschirmung, weniger Halt – dafür ein radikal anderes Design in Tränenform. Ob es das Wert war? Jain. Denn ganz ohne die Einschränkungen von klassischen Ohrhörern kommen die FreeBuds 5 nicht aus – aber sie sind verdammt nah dran. Der Halt ist deutlich besser als erwartet, die Bedienung Huawei-typisch hervorragend und der Klang – trotz mangelnder passiver Isolierung zur Außenwelt – richtig gut.
Sogar so gut, dass die bereits soliden FreeBuds 5i (ihres Zeichens In-Ear-Kopfhörer) locker geschlagen werden. Auch andere In-Ear-Kopfhörer sollten sich warm anziehen. Musik aller Genres macht auf den warm bis neutral abgestimmten FreeBuds 5 richtig Spaß. Und während des Musikhörens kann auch das variable ANC überzeugen. Hier kommen die jeweils drei Mikrofone pro Earbud zum Tragen und filtern äußeren Sound solide heraus.
Das Highlight war für mich aber definitiv die Aufnahmequalität der FreeBuds 5: Stimmen klingen voll und liegen sehr nah an dedizierten Ansteck- oder gar Podcast-Mikrofonen. Zumindest habe ich noch keine vergleichbaren Mikros in TWS-Kopfhörern erlebt. Der bisherige Klassenprimus Jabra Evolve2 Buds wird ebenfalls locker geschlagen.
Dafür bleibt die Akkulaufzeit mit ANC etwas unter den Erwartungen zurück. Knapp dreieinhalb Stunden sind heutzutage nicht der Hit. Gerade wenn man bedenkt, dass die Konkurrenz bei acht Stunden und mehr liegt. Das ANC ohne Musikwiedergabe könnte zudem besser sein, ist aber in Anbetracht des besonderen Formfaktors zu verschmerzen. Eine kabellose Ladefunktion und ein sehr schnelles Aufladen stehen hingegen – genau wie auch die zahlreichen Bluetooth-Codecs – auf der Habenseite.
Die FreeBuds 5 sind somit für alle geeignet, die einen möglichst guten Sound im Ohrhörer-Format haben möchten. Entweder, weil ihnen das Design besser gefällt oder weil sie sich nichts in den Ohrkanal stopfen möchten. Die FreeBuds 5 werden hingegen nur eingehängt und sitzen dennoch erstaunlich stabil. Mit ihrer IP54-Zertifizierung eignen sie sich somit auch für Sporttreibende gut. Ich war ehrlich gesagt sehr überrascht, wie gut Huawei die besondere Bauform der Kopfhörer mit technischem Know-How ausgleicht und sogar in gewissem Maße positiv nutzen kann.
Was haltet ihr vom Tränen-Design und seid ihr eher Team Earpod oder Team In-Ear? Lasst es uns im Kommentarbereich wissen.
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Stand: April 2023