Der Chef von OnePlus vergleicht Samsungs Update-Versprechen mit einem schimmligen Sandwich, aber so einfach ist das nicht.
Manchmal sagen wir Dinge, um zu provozieren. Manchmal sagen wir Dinge, um anderen Menschen etwas verständlich zu machen. Manchmal sagen wir auch einfach nur Nonsens. Davon scheinen auch große Tech-CEOs nicht ausgenommen zu sein. Im aktuellen Fall meldet sich OnePlus-President Kinder Liu zu Wort und ich überlasse es euch, in welche der drei Kategorien seine Aussage fällt.
„Stellen Sie sich vor, Ihr Telefon wäre ein Sandwich. Einige Hersteller sagen jetzt, dass die Füllung in ihrem Sandwich – die Software ihres Telefons – auch in sieben Jahren noch gut zum Essen sein wird. Was sie Ihnen jedoch nicht sagen, ist, dass das Brot im Sandwich – das Benutzererlebnis – nach vier Jahren verschimmelt sein könnte.“
– Kinder Liu, CEO OnePlus –
Hat er damit recht oder ist das die typische Aussage eines Unternehmens, welches nicht für die Software-Entwicklungskosten für „alte“ Smartphones bezahlen will? Programmierer*innen sind schließlich teuer und ein OnePlus von vor 5 Jahren bringt kein Geld mehr rein. Reiner Kapitalismus also? Teilweise.
Sieben Jahre Software-Support ist Marketing und Umweltschutz zugleich
Ja, es kann auch beides zusammen geben (Grüße nach Cupertino an dieser Stelle). Natürlich ist es immer gut, wenn wir Konsument*innen länger etwas von unseren Geräten haben. Das gilt doppelt und dreifach, wenn die Geräte unverschämt teuer waren. Hier ist aber ein Umstand zu bedenken: Wir alle hier sind Tech-Enthusiasten. Diese Aussage war für uns.
Eure nicht-tech-interessierte Verwandtschaft wird diese Aussage sehr wahrscheinlich niemals hören – davon sie zu verstehen, spreche ich noch nicht mal. Gerade aber für diese Menschen ist das Update-Versprechen so wichtig. Viele Smartphones – besonders die hochpreisigen – werden auch gerne nach der Nutzung weitergereicht. Sei es an die Eltern, Großeltern, Geschwister, Nichten, Neffen oder andere Menschen. Je länger also ein Gerät im Umlauf bleiben kann, desto mehr Menschen können es noch benutzen. Das ist heute relevanter als jemals zuvor.
Folgendes Szenario: Es ist 2024 und ihr habt euch ein Galaxy S24 Plus gekauft. Dieses Smartphone bleibt jetzt drei oder vier Jahre euer täglicher Begleiter. Das Teil hat schließlich über 1000€ gekostet. Danach führt euer Weg entweder zu Samsung oder zu einem der unzähligen Smartphone-Reparatur-Shops in den Innenstädten dieses Landes. Zwei Stunden später und um 100€ erleichtert, habt ihr einen neuen Akku in eurem Galaxy S24 Plus und könnt das nun weitergeben an eure Cousine oder einen anderen geliebten Menschen. Fun-Fakt: Ab 2027 müssen Smartphones (auch iPhones) austauschbare Batterien haben – danke EU.
Der Abfall-Kreislauf lautet „Reduzieren, Wiederverwenden und Recyceln“ – in der Reihenfolge. Ein Smartphone, welches erst länger bei euch bleibt und dann noch Jahre später jemand anderem helfen kann, ist eine gute Sache. Ist es dann wirklich relevant, dass es vielleicht ab dem fünften Jahr etwas langsamer ist? Ich glaube nicht.
Wie lange behaltet ihr ein Smartphone?
Nach aktuellen Zahlen behalten etwas über 70% der Deutschen ihre Smartphones für zwei Jahre oder weniger. Diese Zahlen sind aber nur halb belastbar, weil die Statistik auf weniger als 700 Aussagen beruht. Andere Stimmen sprechen eher von zwei bis drei Jahren. Das wären bei fünf Jahren OS-Updates immer noch mindestens zwei Menschen, die von einem gekauften Smartphone profitieren.
Vielleicht sind Android-Smartphones aber hier der falsche Massstab. Für Hersteller von Android-Smartphones ist es etwas Neues, langfristig Software-Support zu liefern. Für Apple hingegen ist es absolut normal, seine iPhones für 5 Jahre mit Software-Support zu versorgen. Manche Geräte sogar länger – das ist aber die Ausnahme. Daher zeigt sich dann auch, dass iPhone-Besitzer*innen schon seit vielen Jahren für einen längeren Zeitraum an ihren Smartphones festhalten.
Um hier auch den Bogen zu OnePlus wieder zu schlagen: Das Ziel für ihre Geräte sind vier Jahre große OS-Updates und ein weiteres Jahr zusätzliche Sicherheits-Updates. Der eine oder andere mag jetzt vielleicht denken, dass das ja auch reicht. Es ist vielleicht schade für die 10.000 Menschen weltweit, die ein Smartphone nach Jahr 5 noch nutzen, aber man kann doch auch nicht Entwicklungen wegen alter Software aufhalten.
Kann die EU da nicht was machen?
Am Ende könnte das aber sogar egal sein. Nachdem man Apple (und allen anderen Herstellern) den USB-C-Port aufgezwungen hat, ist die EU noch nicht am Ende. Der European Cyber Resilience Act (CRA) steht vor der Tür. Ende 2023 ist man sich dort wohl über die letzten Kleinigkeiten einig geworden. In kurz verpflichtet diese Vorlage alle Hersteller von Elektronik, bestimmte Sicherheitsmaßnahmen zu erfüllen.
„Ein zentrales Element des Vorschlags ist die Abdeckung des gesamten Lebenszyklus der Produkte und insbesondere die Bereitstellung von Verpflichtungen für Hersteller und Entwickler, einen Supportzeitraum festzulegen, der die voraussichtliche Nutzungsdauer des Produkts widerspiegelt, und Sicherheit während dieses Zeitraums mit Updates zu gewährleisten.“
Ein wunderschöner Satz, oder? Im Kern und zusammen mit dem Akku-Wechsel-Pflicht ab 2027 und der Verpflichtung für bezahlbare Ersatzteile können End-Nutzer*innen dann über Jahre hinweg ihre Geräte nutzen. Die EU mag ein bürokratisches Monster sein, aber hier macht sie gerade vieles richtig bzw. steuert zumindest in die richtige Richtung.
Die Aussage des OnePlus CEO mag also nicht unbedingt falsch sein, aber eben auch nur, wenn man sie einzeln betrachtet. Mit Blick auf das große Ganze ist es aber entweder kurzfristig oder kapitalistisch gedacht. Samsung, Apple, BKK, Xiaomi und Co. haben das Kleingeld, um nochmal ein paar Dutzend Entwickler*innen für den Software-Support einzustellen.
Ich bin also dafür, dass wir uns alle dieses Sandwich gönnen. Es könnte sich am Ende als unverwüstlicher McDonalds Burger entpuppen. Solltet ihr nichtsdestotrotz weiterhin im Jahrestakt die Smartphones wechseln wollen, hilft euch vielleicht der Gedanke, dass eure abgestoßenen Geräte länger und länger für andere Menschen einen guten Dienst erfüllen, oder?
Quelle: Tom’s Guide
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