Um LGs Smartphone-Sparte war es die letzten Jahre eher still geworden. Die V- und G-Reihen waren allesamt gute Smartphones, doch konnten sich auf aufgrund einiger Kinderkrankheiten nicht auf dem Markt durchsetzen. Mit dem LG Velvet rückt der koreanische Tech-Gigant nun nicht nur von seiner bisherigen Namensgebung ab, sondern stellt gleichzeitig auch eine neue Design- und Produktphilosophie vor. Wir haben das stylische 6,8“-Gerät im ausgefallenen 20,5:9-Format für euch ausgiebig getestet.
Das gefällt uns
- Hervorragende Gesprächsqualität
- Sehr gute Stereolautsprecher
- Riesiges, helles Display mit unendlichem Kontrast
- Gute Kameras
- Sehr gute Selfie-Kamera
- Tolle Haptik dank hochwertiger Materialien
- Wasser- und Staubfest nach IP68
- Sehr gute Audio-Aufnahme
Das gefällt uns nicht
- Kein Quad-DAC mehr
- Durchschnittlicher Akku
- Schnelladefunktion benötigt fast 2h
- Einige Rückschritte beim Funktionsumfang im Vergleich zur LG G-Serie
Design und Lieferumfang
Nach dem Auspacken sticht zuerst einmal der besondere Formfaktor des LG Velvet hervor. Denn mit seiner länglichen 20,5:9-Auflösung habt ihr fast ein seitliches Cinemascope-Format von 21:9 in der Hand. Dadurch bleibt das Velvet trotz seines riesigen 6,8“-Displays angenehm schmal. Selbst kleinere Hände sollten keinerlei Probleme haben es einhändig zu bedienen. Mit lediglich 180 Gramm ist es für seine Größe sehr leicht und liegt – durch die leicht abgerundeten Kanten der Rückseite – zudem sehr angenehm in der Hand. Der Aluminiumrahmen schmeichelt den Händen ebenfalls. Insgesamt ist die Materialauswahl beim LG Velvet über jeden Zweifel erhaben und kann es auch mit absoluten Flaggschiff-Smartphones anderer Hersteller aufnehmen.
Beim frontalen Blick aufs Display fällt die starke Rundung des Bildschirms auf. Dieser biegt sich bis zum Beginn des Aluminiumrahmens. Oben wird er nur von der Wassertropfen-Notch der Selfie-Cam unterbrochen. Die Rahmen oben und unten sind schön schmal und exakt gleich groß. Das verleiht dem Velvet eine optisch angenehme Symmetrie.
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Sehr cool – und seit längerem Standard in LGs Top-Smartphones – ist die Wasserfestigkeit der Geräte. Ihr könnt sie mit ihrer IP68-Zertifizierung also 30 Minuten in anderthalb Meter tiefem Wasser versenken. Gegen Staub funktioniert die Dichtung natürlich ebenfalls und verlängert somit das Geräteleben eures LG Velvet. Auf die MIL-STD-810G-Standards des Smartphones sollte man hingegen nicht viel geben. Ja, das Velvet mag bei Stößen etwas besser abschneiden als die Konkurrenz. Allerdings sind die Tests der Militär-Zertifizierung nicht sonderlich transparent.
Das Velvet kommt hierzulande in zwei Farben daher: Aurora Weiß – welches wir auch hier im Test haben – und Aurora Grün. Sehr schick sind die Lichteffekte der Rückseite. Fällt eine Lichtquelle auf sie, so schimmert das Weiß regenbogenartig und wird in mehreren Richtungen gebrochen. Ansonsten erinnert es mich optisch stark an poliertes Keramik oder Elfenbein – wobei jegliche reale Verbindung zu letzterem zum Glück ausgeschlossen werden kann. Stattdessen kommt stabiles Corning Gorilla Glas 5 vorne und hinten zum Einsatz.
Auch die Anordnung der Hauptkameras folgt nicht den derzeitigen Trends sondern geht designtechnisch einen eigenen Weg. Der metallene Ring um die Hauptkamera ist der einzige Buckel auf der Rückseite des Velvet. Die anderen Linsen sind hingegen der Größe nach ins Gehäuse eingelassen und befinden sich direkt darunter. Mir gefällt das sehr gut, da das LG Velvet fast eben auf Tischoberflächen liegt, dabei – durch den Metallring der Hauptkamera – aber überhaupt nicht verrutscht.
Haltet ihr es in der Hand, fällt einer eurer Finger fast automatisch auf den Powerbutton rechts. Dieser sitzt im Aluminiumrahmen des Velvet und hat eine schöne Clickyness. Links befinden sich die Lautstärkewippe und ein dedizierter Knopf für den Google-Assistant. Letzteren könnt ihr aber auch ausschalten. Eine alternative Belegung gibt es dafür leider nicht.
Alle Knöpfe sind sehr gut positioniert und sowohl für große als auch kleine Hände optimal zu erreichen. Verrenkungen der Hände bleiben damit – trotz des großen Displays – aus. Auf der Unterseite des Velvet findet ihr den USB-C-Anschluss, einen der Stereo-Lautsprecher und – Trommelwirbel – einen echten 3,5mm-Anschluss für eure Kopfhörer oder eure Anlage. LG hat mit seinen vergangenen Flaggschiffen die mit Abstand besten Kopfhörerverstärker in Smartphones abgeliefert. Ob es dabei bleibt, erfahrt ihr unter Sound.
An der Oberseite des Velvet befindet sich der zweite Stereolautsprecher und der Einschub für NanoSim sowie MicroSDXC-Karte.
Während das Design des Velvet wirklich aus der Masse heraussticht, ist der Lieferumfang leider nichts Besonderes. Neben dem erfreulich kleinen Ladegerät ist sonst nur noch das Ladekabel in der Verpackung. Keine beiliegende Hülle oder – wie es früher bei LG der Fall war – relativ gute Kopfhörer. Auch ein Screen-Protector ist nicht vorangebracht. Hier ist also noch Raum zur Optimierung. Dennoch ist alles dabei, um mit dem Velvet loslegen zu können.
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Scharfes Riesendisplay mit tollen Farben
Das riesige 6,8-Zoll-Display löst mit sehr guten 2.460 x 1.080 Pixeln auf und hat einen PPI-Wert von 395. Damit werden all eure Inhalte gestochen scharf dargestellt und einzelne Pixel sind mit dem bloßen Auge nicht mehr erkennbar. Die maximale Helligkeit liegt bei ca. 400nit. Im Automatik-Modus kann der P-OLED-Bildschirm mit bis zu 620 cd/m² allerdings noch deutlich heller leuchten. Auch an sehr hellen Tagen werden eure Inhalte somit deutlich dargestellt. Nur wenn ihr die Sonne direkt im Rücken habt und euch dunkle Bildschirminhalte anseht, kann es knifflig werden. Das ist bei allen Konkurrenten aber genauso.
In Flaggschiff-Smartphones kommen zudem immer öfter Panele mit schnelleren Bildwiederholraten zum Einsatz. Mit 90Hz und 120Hz Bild scrollt es sich nämlich deutlich flüssiger durch Menüs als mit den standardmäßigen 60Hz. LG folgt diesem Trend leider noch nicht, was man bei einem Gerät der oberen Mittelklasse – wie dem Velvet – aber verschmerzen kann.
Denn dafür kommt ein P-OLED-Display zum Einsatz. LG ist quasi der Godfather der OLED-Produktion. Gerade bei Fernsehern hat sich die koreanische Firma als absoluter Marktführer etabliert und verkauft OLED-Panele an alle anderen großen Hersteller. Die Smartphone-Displays der vergangenen Generationen waren allerdings nicht ganz auf dem Niveau ihrer deutlich größeren TV-Geschwister. Mit dem Velvet ändert sich das.
Das Display überzeugt mit akkuraten Farben, unendlichem Kontrast und gutem Weißwert. Zudem sind die Einstellmöglichkeiten sehr vielseitig: Ihr könnt aus drei verschiedenen Voreinstellungen wählen, wobei Kino die besten Farben und den genauesten Weißwert geliefert hat. Dies wurde durch den Vergleich mit einem kalibrierten Monitor festgestellt. In der Einstellung „Benutzerdefiniert“ könnt ihr euch allerdings noch mehr austoben und das Velvet exakt auf das von euch gewünschte Farbprofil einstellen.
Einziges Manko bei komplett weißen Display-Inhalten ist die Rundung des Bildschirms. An den gekrümmten Seiten erscheint Weiß von vorne betrachtet nämlich etwas bläulich. Das stört allerdings nur, wenn man gezielt darauf achtet und ist ansonsten eher unauffällig.
Wirklich toll ist hingegen der Schwarzwert des Velvet. Denn im Gegensatz zu normalen LED-Bildschirmen kann ein OLED-Panel Pixel gezielt ausschalten. Somit ist Schwarz auch in dunklen Räumen wirklich Schwarz und wirkt nicht gräulich, wie es bei LEDs der Fall wäre. Dazu verbraucht das Display bei viel dunklem Bildschirminhalt auch weniger Strom. LG hat dem Velvet zudem einen Dark-Mode spendiert, der alle Menüs in Schwarz darstellt. Somit schont ihr im Dunkeln nicht nur eure Augen sondern spart auch Akkulaufzeit. Ihr könnt außerdem einstellen, dass der Dark-Mode erst ab einer bestimmten Uhrzeit aktiviert wird. Ein wirklich gelungenes Feature, von dem ich gerne Gebrauch gemacht habe.
Ein weiteres LG-typisches Merkmal ist das Always-On-Display (AOD). Es stellt auch im Stand-By-Modus von euch gewünschte Informationen auf dem Display des LG dar. Darunter zum Beispiel die Uhrzeit, Akkulaufzeit und eingegangene Nachrichten. Gerade wenn ihr euer Smartphone als Uhr benutzt und nicht ständig abgelenkt werden möchtet, ist das sehr praktisch. Es kostet allerdings auch etwa 5-10% Akkulaufzeit im Vergleich zum ausgeschalteten AOD. Seid ihr notorische Smartphone-Prokrastinierer – so wie ich – dann holt ihr das wahrscheinlich durch das seltenere Wecken aus dem Stand-By-Modus wieder rein.
Performance und Menü: (Fast) Oberklasse
Die Performance des LG Velvet liegt dank dem Snapdragon 765G auf einem sehr hohen Niveau. Sowohl in den Menüs als auch in Games werdet ihr keinerlei Leistungseinbußen im Vergleich zum derzeitigen Topmodell Snapdragon 865 spüren. Nur in Benchmarks sind letztere deutlich schneller. Im Alltag werdet ihr aber auf absehbare Zeit mit dem hier verbauten Snapdragon 765G keine Einschränkungen bemerken. 6GB Arbeitsspeicher erlauben dazu ausreichend Reserven für Multitasking mit vielen Apps. Eine 8GB-Variante des Velvet ist auch erhältlich, hat ihren Weg aber noch nicht nach Deutschland gefunden.
Apps öffnen sich dennoch schnell und ohne jede Verzögerung. Auch das Rendern und Bearbeiten von 4K-Videos geht flüssig von der Hand. In Spielen werden automatisch die höchsten Details ausgewählt, denn das „G“ am Ende der Prozessorbezeichnung steht beim 765G für „Gaming“. Damit ist die integrierte Grafikeinheit der Octa-Core-CPU etwas höher getaktet und verschafft euch somit in Games einen leichten Performance-Boost.
Eine WideVine-L1-Zertifizierung sorgt dafür, dass ihr auf YouTube, Disney+ und Amazon Prime eure Inhalte in HDR und Full-HD-Auflösung genießen könnt. Netflix verweigert HDR hingegen bislang. Ein Lizenzproblem scheint es nicht zu geben, weswegen davon auszugehen ist, dass auch Netflix-Inhalte in absehbarer Zeit in HDR genossen werden können.
Der Speicher fasst bei unserem Testgerät gute 128 GB. Diese sind allerdings noch nach dem etwas langsameren UFS 2.1-Standard angebunden. Für die meisten User sollte das dennoch bereits ausreichen, da nur die wenigsten riesige Dateien auf ihrem Smartphone hin und her verschieben. Schön ist die Erweiterbarkeit via MicroSD-Karte. Einen zweiten SIM-Steckplatz gibt es hingegen in der europäischen Variante des Velvet keinen.
Standardmäßig ist eine Gestensteuerung zur Bedienung eingestellt. Diese funktioniert sehr gut und wird von LG sogar in einem eigenen Tutorial vorgestellt. Die klassischen Android-Navigationstasten gibt es aber natürlich auch. Zwar benötigt ihr für die Steuerung via Gesten eine kurze Eingewöhnung, dafür habt ihr dann aber mehr Displayfläche zur Verfügung.
Bereits nach kurzer Zeit möchtet ihr sie nicht mehr missen und navigiert – in meinem Fall – sogar deutlich schneller durch das Betriebssystem LG UX 9. LG hatte die letzten Jahre nicht immer den besten Ruf, wenn es um Updates geht, doch im Velvet aktualisierte sich bereits – nach wenigen Stunden Betrieb – der Androids-Sicherheits-Patch auf die aktuellste Version. Auch mein eigenes LG G7 ThinQ bekommt regelmäßig Updates von LG. Mit den kommenden zwei Android-Versionen solltet ihr beim Velvet also mindestens noch versorgt werden.
Um das LG Velvet zu entsperren hat LG einen Fingerabdruckleser im Display untergebracht. Er wird mit der Zeit immer besser und erkennt eure Finger relativ schnell. Zu Beginn genehmigte er sich allerdings noch eine kurze Gedenksekunde und wollte meinen Daumen bei etwa einem von drei Versuchen nicht erkennen. Die Einrichtung eines Fingers dauert zudem relativ lang – dafür werden aber alle haptischen Szenarien erfasst. Nachdem ich die Einrichtung zweimal mit demselben Finger durchlaufen hatte, war der Fingerprintreader enorm genau. Anschließend wurden meine Finger ohne Probleme bei jedem Versuch erkannt. Eine Gesichtserkennung hat das LG Velvet natürlich auch mit an Bord. Diese funktioniert sehr schnell und selbst mit Brille oder Vollbart.
Mit seinen 4.300 mAh hat der Akku eine angemessene Größe, ist allerdings auch nichts besonderes mehr und auf dem Niveau der Konkurrenz. Im Test genügte er meist um über anderthalb Tage zu kommen. Hier sind einige Konkurrenten deutlich besser und schaffen es auch über zwei Tage. Bei dauerhafter Videowiedergabe macht das Velvet hingegen eine sehr gute Figur und schafft es – bei 50% Helligkeit und vollem Akku – die YouTube-Wiedergabe über 14 Stunden durchzuhalten.
Etwas schade ist hingegen die Leistungsfähigkeit des beiliegenden Ladegeräts. Obwohl das Velvet laut LG mit 25W Schnellladen kann, verfügt das Ladegerät nur über 16W. In 30 Minuten kommt das Velvet vom komplett entladenen Akku in unserem Test auf gerade einmal 35%. Zum Vergleich, das OnePlus 8 ist doppelt so schnell und verfügt über einen Akku derselben Größe. Auch mit einem 65W-Schnellladegerät kam es zu keiner nennenswerten Verbesserung der Ladegeschwindigkeit. Dafür könnte die Lebensdauer des Akkus durch das Schnellladen positiv beeinflusst sein. Zudem wird das Velvet während des Ladens nicht einmal lauwarm. Auch kabelloses Laden ist mit bis zu 10W möglich und damit nur wenig langsamer als die kabelgebundene Variante.
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Kamera: Mit guten Farben und vielen Features
Die Kameras des LG Velvet decken die meisten Situationen gut ab und können dabei überzeugen. Die Hauptkamera ist eine 48MP-Linse mit QuadBeyer-Sensor und f/1.8. Sie wird unterstützt von einer 8MP-Ultraweitwinkel-Kamera und einem 5MP-Tiefensensor. Auf einen dedizierte Telelinse müsst ihr leider verzichten. Doch dafür könnt ihr einen 2x-Hybrid-Zoom im Kameramenü auswählen, der digitale und optische Vergrößerung kombiniert.
Die Hauptkamera mit 48MP knippst in der Praxis 12MP-Fotos. Es werden also jeweils vier Pixel auf einen heruntergerechnet. Das klappt im Alltag sehr gut und führt zu detailreichen scharfen Bildern in fast allen Belichtungssituationen. Besonders gut sind hierbei die Farben: Im Gegensatz zu den meisten Konkurrenten wirkt nichts übersaturiert, sondern sehr akkurat und damit natürlich.
Sämtliche Fotos wurden mit dem Automatik-Modus des LG Velvet aufgenommen und nicht weiter bearbeitet. Natürlich verfügt das LG Velvet auch noch über einen manuellen Kamera-Modus in dem ihr wirklich alle Feinheiten, wie etwa den Weißabgleich oder die Belichtungszeit einstellen könnt. Zur besseren Vergleichbarkeit belassen wir es hier aber beim Automatik-Modus, den sicherlich die meisten von euch nutzen werden. Es wurde jeweils in den Zoom-Stufen „x1″und „x0,5“ und „x2“ fotografiert. Die beiden erstgenannten bezeichnen dabei die Hauptkamera und die Ultraweitwinkel-Linse. „x2“ ist ein Hybridzoom, der die Hauptkamera zusammen mit einem Algorithmus nutzt, um das Bild zu vergrößern.
Wollt ihr die vollen 48-Megapixel für eine Aufnahme nutzen, dann ist das über eine Einstellung im Menü problemlos möglich. Allerdings sind die Fotos kaum detailreicher und nehmen deutlich mehr Speicherplatz ein. Bei dunklen Szenen kosten sie euch zudem ein gutes Stück Helligkeit und ihr könnt die „x2“-Zoom-Fähigkeit nicht mehr nutzen.
Leider verfügt lediglich die Hauptkamera über einen Autofokus. Dieser funktioniert allerdings schnell und stellt Objekte – auch auf kurze Distanz – schön scharf dar.
Die 5MP-Kamera auf der Rückseite ist für die Tiefenschärfe bei Porträts und Nahaufnahmen zuständig. Objekte werden sehr schön freigestellt und auch Haare sind nicht auffällig ausgeschnitten. Darüber hinaus bietet sie auch noch einige Effektspielereien, wie etwa 3D-Fotos oder Cartoon-Bokeh-Effekte.
Als Frontkamera des LG Velvet wartet ein 16-Megapixel-Sensor in der Wassertropfen-Notch auf seinen Einsatz. Dieser macht einen sehr guten Job. Aufnahmen sind scharf und detailreich.
In dunkleren Szenarien verwaschen Bilder zwar etwas, dennoch bleiben die meisten Details erhalten. Porträt-Fotos wirken natürlich und erhalten einen angenehmen Bokeh-Effekt. Des Weiteren bietet die Selfie-Kamera aber auch noch einen Haufen mehr oder weniger lustiger Effekte.
Der Nachtmodus des LG Velvet macht seine Sache in den meisten Fällen ebenfalls gut. Die Nacht wird dadurch beim Velvet aber nicht zum Tag. Einige Konkurrenten, sind hier schon weiter – wobei die gemachten Fotos dann auch schnell sehr künstlich aussehen. Das LG hellt Bilder sehr dezent auf und die meisten Details bleiben erkennbar. Es wird aber eher auf einen natürlichen Look gesetzt, als auf ein extremes Aufhellen der Szene. Um eine längere Belichtungszeit zu ermöglichen müsst ihr das Smartphone dabei so still wie möglich halten.
Ebenfalls sehr gut gefallen die Videos des Velvet. Die 4k-Aufnahmen der Hauptkamera haben maximal 30 Bilder die Sekunde und einen sehr guten Dynamikumfang. Farben werden auch hier sehr natürlich aufgenommen und wiedergegeben. Besonders gut sind dabei auch die Mikrofone, die viele teurere Geräte um Längen schlagen.
Eine Bildstabilisierung gibt es leider nur auf digitalem Weg, dennoch macht sie ihre Sache sehr gut. Somit habt ihr auch bei Aufnahmen während des Gehens ein ruhiges Bild. Die Ultraweitwinkel-Kamera nimmt hingegen in 1080p und 60 Bildern die Sekunde auf. Ihre Farben wirken etwas übersättigt und allgemein ist das Bild deutlich verwaschener. Im Vergleich zu den Vorgängern der LG G-Serie sind das leider Rückschritte. Denn selbst das zwei Jahre alte LG G7 ThinQ bot bereits 4K60 auf allen Kameras und OIS für die Hauptkamera. Auch 10-Bit-HDR-Aufnahmen und das Aufnehmen von .log-Dateien sind mit dem Velvet nicht mehr möglich.
Ein neues Feature ist der ASMR-Videomodus. Mit diesem erhaltet ihr – laut LG-Marketing-Sprech – „Stimm-Bokeh“. Dadurch soll eure Stimme in den Vordergrund treten. Im Endeffekt handelt sich dabei um einen Filter, der besonders tiefe und hohe Frequenzen herausschneidet und die mittleren verstärkt. Keine Zauberei also, aber im Praxiseinsatz funktioniert das trotzdem gut.
Sound: Upgrade bei Lautsprechern und Mikrofon, Downgrade für Kopfhörer-Fans
Die Stereolautsprecher des LG Velvet sind definitiv ein Highlight des Smartphones. Sie erzeugen eine tolle Stereobühne mit einer erstaunlichen Tiefe. Ihr könnt Instrumente direkt vor dem Smartphone also sehr genau verorten. Höhen und Mitten kommen klar und präzise herüber. Sie werden zudem sehr laut und übersteuern dabei kaum. Selbst ein Bassfundament ist vorhanden.
Dieses wird sogar noch verstärkt, wenn ihr das Velvet auf einen Resonanzkörper – wie etwa eine Tischplatte – legt. Auch Serien und Filme profitieren vom weiten und seidenklaren Klang des Velvet. Stimmen heben sich deutlich von der Musik ab und im Zusammenspiel mit dem großen Display bekommt ihr für unterwegs schon fast einen kleinen Laptopersatz. Dennoch sind externe Lautsprecher oder Kopfhörer den eingebauten des Velvet um Welten überlegen. Und Kopfhörer-Fans waren bei LG seit dem V20 ja immer an der richtigen Adresse.
Fans des seitdem in den LG-Topmodellen eingesetzten Quad-DAC müssen nun besonders stark sein: Denn der ist im Velvet nicht mehr verbaut. Damit bekommt ihr keinen dedizierten Kopfhörerverstärker mehr, mit dem ihr auch ineffizientere und hochohmige Headphones antreiben könnt. Die vier ESS9218P Digital-Analog-Konverter sorgten zudem für eine herausragende Musikwiedergabe, die selbst audiophilen Ansprüchen genügte und quantifizierbar war.
Damit konnte man mit seinem LG-Smartphone immerhin High-Res-Audioplayer für mehrere hundert Euro ersetzen. Als Audio-Nerd und LG-Quad-DAC-Nutzer macht mich das natürlich besonders traurig. Andererseits nutzen die meisten dieses spezielle Feature voraussichtlich nicht. Gute Bluetooth-Kopfhörer gibt es mittlerweile natürlich einige und praktischer sind diese zugegebenermaßen meist auch.
Zum Glück verabschiedet sich LG aber nicht gänzlich vom 3,5-mm-Klinkenanschluss. An diesem könnt ihr also auch weiterhin eure kabelgebundenen Kopfhörer betreiben. Mit stromhungrigeren Modellen, wie etwa HifiMan Magnetostaten oder den RHA CL1, kommt der Ausgang des Velvet allerdings nicht so gut zurecht. Hier klingt die Wiedergabe schnell sehr dünn und mittenlastig.
Mit normalen Kopfhörern bis 50 Ohm Widerstand oder einer Effizienz über 100 db/W/m fällt dieses Problem aber komplett raus. 99% aller Kopfhörer klingen somit genau wie sie sollen. So getestet an den Koss Porta Pro, Sennheiser Momentum, Fidelio X1 und X2HR. Über Bluetooth wurde schnell und genau eine Verbindung mit den Microsoft Surface Headphones und den Marshall Monitor II ANC geschaffen. Auch das Streaming via des hochauflösenden Bluetooth-Codecs LDAC funktionierte über den Topping DX3 Pro selbst durch dicke Berliner Altbauwände.
Letztere konnten auch die Gesprächsqualität nicht schmälern. Diese war – egal wo – immer hervorragend und gefühlt deutlich besser als auf dem LG G7 ThinQ und dem OPPO Reno2. Stimmen waren sehr deutlich zu verstehen und klangen natürlich. Nur an den länglichen Formfaktor des Velvet muss man sich einen Moment gewöhnen. Die 5G-Fähigkeit konnte – mangels Netz – leider nicht getestet werden. Hier sollte aber die nächsten Monate hoffentlich noch etwas passieren, so dass wir diesen Punkt in Zukunft auch noch stärker miteinbeziehen können.
Ebenfalls hervorragend sind die weiteren Mikrofone des LG Velvet. Es verfügt sogar über einen ASMR-Modus mit dem ihr eure Stimme besonders hervorheben könnt. High-Res-Audioaufnahmen mit 24-Bit und 96kHz-Abtastrate sind mit dem Velvet problemlos möglich und klingen richtig gut.
Fazit: LG Velvet
Das Velvet kann als LGs erster Schritt in die richtige Richtung gesehen werden. Mehr eigenständige Designideen und damit auch mehr Mut zum Risiko. Der Formfaktor ist absolut gelungen, obwohl er ein wenig Eingewöhnung erfordert. Haptisch machen dem LG Velvet zudem selbst doppelt so teure Flaggschiffe nichts vor. Darüber hinaus ist das Smartphone nach IP68 Wasser- und Staubgeschützt. Dank seines robusten Designs könnt ihr es also problemlos in allen Situationen nutzen.
Die Performance ist ebenfalls auf einem sehr hohen Niveau, kann aber nicht ganz an andere Flaggschiffe heranreichen. Dafür wird euch 5G geboten, was euch in Zukunft noch deutlich schneller ins Internet bringen wird. Die Kameras des Velvets sind ebenfalls auf einem guten Niveau, reichen allerdings nicht vollständig an die teurere Konkurrenz heran. Die Selfie-Cam überzeugt dafür voll und ganz. Sie kann es auch mit denen in teureren Flaggschiff-Smartphones aufnehmen.
Klang wird über die Stereolautsprecher gut wiedergegeben und dank seines großen, scharfen Displays machen Videoinhalte und Surfen auf dem Velvet wirklich Spaß. Auch die Menüführung von LG UX9 mit vielen Einstelloptionen überzeugt. Leider hat LG dafür den mächtigen Quad-DAC zu Grabe getragen, der gerade audiophile Smartphone-Nutzer zuvor immer begeistert hatte. Dennoch bekommt ihr einen soliden 3,5mm-Klinkenanschluss, mit dem ihr als Normalnutzer 99% aller Kopfhörer betreiben könnt.
Insgesamt ist das LG Velvet ein gutes Smartphone mit wenigen Schwächen und einigen richtig tollen Ideen. Für derzeit 600€ würde ich allerdings noch etwas auf eine Preissenkung warten. Denn vergleichbare Konkurrenzmodelle, wie das schnellere POCO F2 Pro oder das Xiaomi Mi 10 Lite 5G mit gleichem Chipset, sind bereits deutlich günstiger zu haben. Dafür bieten sie allerdings konventionellere Formfaktoren und sind nicht Wasser- und Staubfest.