Kommentar: Es ist Apple egal, ob das iPhone USB-C hat

      Kommentar: Es ist Apple egal, ob das iPhone USB-C hat

      Für Apple und den Rest der Welt scheinen die letzten Tage des Lightning-Anschlusses gezählt. In Wahrheit hat der Konzern aus Cupertino aber ganz andere Probleme mit der EU.

      Nach viel Hin und Her ist es endlich passiert – Die Gesetzgeber der Europäischen Union haben sich darauf geeinigt, Hersteller von Smartphones, Kopfhörern und sogar Digitalkameras und Tablets zu zwingen, denselben universellen Ladeanschluss zu verwenden: USB Typ-C.

      Die neuen Regeln sollen bis Herbst 2024 in Kraft treten. Jedes neue Gerät, das danach verkauft wird und via Kabel aufgeladen wird, muss dies über einen integrierten USB-C-Anschluss tun – keine Dongles erlaubt. Den größten Einfluss dürfte die neue Gesetzgebung auf Apple und das iPhone haben – es wurde aber auch echt Zeit.

      Wie sind wir hier gelandet?

      Lightning kam mit dem iPhone 5 im Jahr 2012 in den Apple-Kosmos. Fun-Fact: Der Grund dafür war, dass der USB-C-Standard zur dieser Zeit noch nicht „fertig“ war, aber das iPhone in diesem Jahr sehr dünn und sexy sein sollte. Das war mit dem alten 32-Pin-Anschluss nicht möglich und so entwickelte Apple Lightning. Gleichzeitig arbeiteten sie mit Intel am Thunderbolt 3-Standard (USB-C), der Jahre später alle anderen Ports am MacBook ersetzte – bis er es nicht mehr getan hat.


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      Zur Präsentation nannte Phil Schiller (damals Vizepräsident Marketing) Lightning einen „modernen Anschluss für das nächste Jahrzehnt“. Er sollte Recht behalten mit der Dekade. In den kommenden Jahren verbaute Apple Lightning nicht nur beim iPhone, sondern auch bei allen iPads (beliebtestes Tablet der Welt laut Marktanteil), den AirPods in ihrer normalen und Pro/ Max-Ausführung (beliebteste TWS der Welt laut Marktanteil) und brachte den Port sogar zum Mac als Ladeanschluss für die Magic Mouse und das Magic Keyboard.

      Warum Apple die neue EU-Richtlinie egal sein dürfte

      Die USB-C Regelung betrifft übrigens auch Notebooks. Da haben die Hersteller aber etwas mehr Zeit. Bis 2026 müssen sich auch ALLE Notebooks über Typ-C laden lassen. Der Grund für die Verzögerung ist, dass es Netzteile mit den benötigten Wattzahlen noch selten am Markt gibt. Keine Sorge: MagSafe wird bleiben. Es muss nur die Möglichkeit geben, ein Notebook über Typ-C zu laden, aber es wurde nicht definiert, dass das der einzige Ladeanschluss sein muss. Geräte der aktuellen MacBook Pro-Serie (unser Test zum 14er) und das aktuelle MacBook Air (Test) erfüllen also bereits die Auflagen.

      Apple hat schon vor Jahren damit angefangen, sich von Lightning zu verabschieden. Zuerst war es beim iPad Pro im Jahr 2018 soweit. Bis zum heutigen Tag sind iPad Air und iPad mini ebenfalls umgestellt worden. Was bleibt, ist das Basis-iPad und auch da wird für dieses Jahr ein großes Redesign erwartet. Für das iPad-Lineup ist die neue EU-Regel also nicht wirklich relevant.

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      Das iPad Air setzt bereits auf USB-C

      Etwas anders sieht es beim iPhone-Kosmos aus. Apple hat bei den AirPods bewusst auf Lightning gesetzt, damit ihr sowohl euer Phone als auch eure TWS mit dem gleichen Kabel laden könnt. Apple verdient gleichzeitig an jedem verkauften offiziellen Lightning-Kabel. Das MFi-Programm (Made for iPhone) hat Apple so im vergangenen Jahrzehnt gutes Geld in die Kassen gespült, da es auch Drittanbieter zur Kasse gebeten hat, die Lightning-Zubehör verkaufen wollten.

      Apple verabschiedet sich aber allgemein mehr und mehr von Kabellösungen. Vor ein paar Jahren hat AirPlay einen großen Schub bekommen. MagSafe ist inzwischen im dritten Jahr und AirDrop ist seit Jahren der Standard von Apple zum drahtlosen Datentransfer. Scrollt noch mal hoch und seht euch das Video von Phil Schiller erneut an. Es war schon vor über einem Jahrzehnt klar, wo die Reise für Apple hingeht.

      „Was ist mit den Kohlen?“

      Sollte euch dieses alte Bud Spencer Zitat nicht ganz geläufig sein – hier der kurze Clip auf YouTube und hier der lange Clip. Ich betrachte das als Bildungsauftrag, damit diese Perlen der deutschen Synchronisation nicht in Vergessenheit geraten.

      Die Frage hinter diesem Zitat ist: Wird Apple nicht das Geld aus den Lightning-Verkäufen vermissen? Worauf die Antwort lautet: Welches Geld? Die Einnahmen aus dieser Kategorie laufen bei Apple unter ferner liefen. Ich weiß, das ist dröge, aber wir müssen kurz über Quartalsergebnisse reden. Ich mache es kurz, versprochen.

      Von den ca. 83 Mrd. Dollar Umsatz, die Apple im dritten Geschäftsquartal 2022 erzielt hat, kommen knapp 8,1 Mrd. aus dem Bereich „Wearables, Home und Accessories“. In der Kategorie Wearables sind sowohl die Apple Watch (meistverkaufte Smartwatch der Welt) als auch alle Ausführungen der AirPods enthalten. Selbst mit diesen beiden extrem gut laufenden Produktgruppen und der ganzen Home-Sparte macht die Kategorie also weniger als 10% des Umsatzes aus. Apple wird es also auch ohne Lightning nicht wirklich schlechter gehen.

      Wieso hat sie sich Apple dann bisher gesträubt? Würdet ihr zu einer Milliarde pro Jahr nein sagen, wenn ihr es nicht müsstet? Dachte ich mir. Außerdem müsst ihr an die Millionen Geräte (und deren Besitzer*innen) denken, die dann alle ihre Kabel umstellen müssen. Sowas macht Kunden wütend und das wird auch Apple so weit wie möglich hinauszögern.

      Bis wann und in welchen Ländern muss Apple das iPhone mit USB-C ausstatten?

      Es gibt bereits Berichte, dass Apple den Wechsel im nächsten Jahr vornehmen könnte. Das wäre dann die iPhone 15-Serie und wurde sowohl von Apple-Analyst Ming-Chi Kuo als auch von Mark Gurman von Bloomberg bestätigt. Wenn diese Berichte stimmen, würde Apple bereits ein Jahr vor Inkrafttreten der neuen EU-Vorschriften ein iPhone mit einem USB-C-Anschluss auf den Markt bringen. Vielleicht wird das ja ein neues Feature der „Pro“-Modelle.

      Die EU kann Apple natürlich nicht zwingen, alle neuen iPhones weltweit auf USB-C umzustellen. Sie können Apple nur zwingen, jedes neue iPhone, das innerhalb von Europa verkauft wird, mit USB-C auszustatten. In Cupertino wird man Europa als Markt aber kaum aufgeben. Fast 25% von Apples Umsätzen werden innerhalb der EU gemacht. Das ist etwas zu lukrativ, um Prinzipien darüber zu stellen. Theoretisch könnte Apple auch nur für Europa ein USB-C-iPhone auf den Markt bringen und im Rest der Welt Lightning beibehalten, angesichts der Effizienz der Apple-Lieferkette scheint das aber eher unwahrscheinlich.

      Typ-C am iPhone kommt. Das steht fest und damit auch ein ganzer Schwung an überarbeitetem Zubehör. Erwartet da keine großen Pressekonferenzen. Vieles davon wird wahrscheinlich via Presse-Mitteilung verkündet. Das gilt besonders für Apples TWS, da sowohl die dritte Generation der AirPods als auch die brandneuen AirPods Pro gerade erst ein großes Update bekommen haben.

      Am Ende dürfte es Apple also egal sein, ob das iPhone USB-C hat. Das Klimpergeld aus dem MFi-Programm war nett, ist aber nicht kriegsentscheidend. Für den Mega-Konzern ist die Zukunft drahtlos und sie haben ihre Kunden so sehr in ihrem Ökosystem gefangen, dass wir alle brav neues Zubehör kaufen werden, wenn die Umstellung kommt. Ihr wisst das, ich weiß das und auch Apple weiß das.

      Die EU-Regelung betrifft auch Ladestandards

      Die EU fordert Smartphone-Hersteller übrigens nicht nur auf, USB-C zu verwenden, sondern beabsichtigt auch, das Schnellladen für alle Smartphones zu standardisieren. Der eine oder andere von euch mag sich jetzt denken, dass das Apple ebenfalls treffen wird, aber da liegt ihr falsch.

      Ja, Geräte wie das iPhone 13 Pro Max können maximal mit 30W geladen werden (27,5W, um genau zu sein), während Geräte wie das Galaxy S22 Plus mit bis zu 45W geladen werden können. Sowohl Samsung als auch Apple setzten aber beide als Standard auf PowerDelivery (PD). Es ist bei beiden Herstellern eine bewusste Entscheidung, wie schnell ihre Smartphones laden, aber die Technik hinter beiden ist identisch.

      Wisst ihr, wer nicht auf PD setzt? BBK (Oppo, OnePlus, Realme, Vivo) und Xiaomi. Diese ganzen Schnellladestandards mit Marketing-Namen wie Vocc-Charge, Warp-Charge usw. sind Eigenentwicklungen der jeweiligen Hersteller und funktionieren auch nur mit ihren eigenen Geräten vollständig. Darum bekommt ihr ja auch aus einem 120W-Oppo-Netzteil keine 120W für euer Dell-Notebook.

      Wenn Ladestandards von der EU abgeschafft werden, dann wird das nicht PD sein, sondern die ganzen proprietären Standards. Die EU möchte übrigens auch kabelloses Laden in Zukunft standardisieren. Da die Regelung für USB-C aber schon ewig gedauert hat, würde ich nicht so schnell mit einer Lösung rechnen.

      Apple dürfte die neuen Regelungen der EU also eher mit einem Achselzucken und einem „Okay“ zur Kenntnis nehmen und dann weiter Milliarden mit iPhones verdienen – dann halt mit USB-C. Der neue Port könnte eigentlich auch schnelle Übertragungen von Fotos und Videos vom iPhone ermöglichen, aber da Apple drahtlose Technologien forcieren möchte, würde ich nicht von einem USB-4-Anschluss ausgehen.

      Immerhin: Die EU scheint sich gerade erst warm zu laufen. Wenn Apple aktuell etwas Sorgen machen dürfte, dann ist das der Digital Markets Act. Der würde den Mega-Konzern dazu zwingen, iMessage endlich richtig mit anderen Messengern spielen zu lassen und würde zusätzlich App-Stores von Drittanbietern auf dem iPhone zulassen. Wenn ihr nochmal nach oben scrollt, werdet ihr sehen, dass die Kategorie „Services“ fast 25% des Umsatzes bei Apple ausmacht. Das ist also der deutlich wichtigere Kampf für Cupertino.

      Wir werden ganz genau eine Auge darauf werfen, wie sich dieses Szenario entwickelt.

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      Veröffentlicht von Sascha

      Gamer, Filmliebhaber & Hobby-Fotograf – also alles was eine gute Geschichte erzählt. Großer Fan von durchdachten Produkten und Privatsphäre. Nach zehn Jahren im Google-System derzeit im Apple-Kosmos unterwegs und soweit zufrieden.

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